Tod aus dem Torpedorohr

„Further, quieter, deeper“, zu deutsch weiter, leiser, tiefer - mit diesem Slogan werben die Howaldtwerke Deutsche Werft AG rund um den Globus. Solcherart angepriesen wird ein deutsches Traditionsprodukt, der „Tod aus dem Torpedorohr“, die „Grauen Seewölfe“, im drögen Amtsdeutsch als U–209 oder U–206 bezeichnet, welches sich vor allem in den letzten Jahren still und leise zu einem Exportschlager erster Ordnung entwickelt hat. Das ist kein Zufall, sondern ein erfolgreich umgesetztes Unternehmenskonzept der im Bundesbesitz befindlichen HDW, dessen Grundlage 1983 gelegt wurde. Als sich Anfang der 80er Jahre die Flaute im Handels– und Zivilschiffsbau zu einer langfristigen Misere verdichtete, beschloß das Werftmanagement mit Billigung und Unterstützung ihrer staatlichen Aufsichtsgremien, sein Heil in der Kriegswaffenproduktion zu suchen. Da Überwasserschiffe ab einer bestimmten Größenordnung für Potentaten aus der Dritten Welt kaum zu bezahlen sind, entschied sich man sich bei HDW gleich für das „Seekriegsgerät der kleinen Leute“. U–Boote deutscher Machart liegen im Stückpreis zwischen 100 und 200 Millionen DM, eine Größenordnung, die sowohl für die chilenische als auch die argentinische Junta bezahlbar war und HDW damit die Richtung gewiesen hatte. Spätestens seit diesen Exporterfolgen war klar, daß die HDW ihre Aktivitäten im U–Boot–Geschäft künftig erheblich ausweiten würde. Die Bereiche Marketing und Akquisition wurden kräftig ausgebaut und das Vertreternetz der HDW in aller Welt verstärkt, um die Präsenz bei den potentiellen U–Boot–Kunden deutlich zu verbessern. Um den erhofften Auftragsschüben, die sich aus der von der HDW analysierten Bedarfslage auf dem U–Boot–Markt (“Weltweit erkennbarer Trend zu U–Booten“) ableiteten, gewachsen zu sein, wurde für rund 100 Millionen Mark der Bau einer neuen, supermodernen U–Boot– Montagehalle im Hauptwerk Kiel–Gaarden geplant. Fühler in aller Welt Rund um den Erdball hatten die U–Boot–Marktanalytiker der HDW ihre Fühler ausgestreckt. Kein Fleckchen Erde, das sie nicht unter die Lupe genommen hätten, um den millionenschweren Ausbau der U–Boot–Aktivitäten berechtigt und lohnend erscheinen zu lassen. Die künftigen U–Boot– Erfordernisse Südafrikas gingen ebenso in die Marktanalysen der HDW ein wie die Argentiniens, Indiens, Indonesiens, Israels, Chinas, Ägyptens, Irans, Iraks, Saudi–Arabiens oder Thailands. Auch über den U–Boot–Bedarf des libyschen Staatschefs Ghaddafi wurde bei der HDW peinlichst genau Buch geführt. Mit ihm soll die HDW sogar in Verhandlungen über mögliche Vertragsabschlüsse gestanden haben, besagen Marine–Meldungen aus dem Jahr 1985 (vielleicht ein neuer Fall für die Staatsanwaltschaft?) Den staatlichen Anteilseignern der HDW, den Regierungen in Bonn und Kiel, aber vor allem ihren Abgesandten im Aufsichtsrat der HDW dürften diese Marktanalysen und die daraus abgeleiteten akquisitorischen Planungen kaum verborgen geblieben sein. Denn sie waren damals schon eine, wenn nicht die entscheidende Grundlage für die künftige Unternehmenskonzeption der HDW, die in letzter Instanz in Bonn und Kiel genehmigt wurde und zwar ohne Abstriche. Ohne Kenntnis und Diskussion dieser Vorgänge wäre es kaum möglich gewesen, der HDW für ihre ehrgeizigen U–Boot–Pläne grünes Licht zu geben. Doch auch der U–Boot–Markt ist, zumal in Zeiten, wo nicht ein Seekrieg für Nachschubbedarf sorgt, regional schnell gesättigt. Dies gilt für Lateinamerika, wo sich alle relevanten Länder in den 70er Jahren soweit eingedeckt haben, daß allenfalls alte Modelle ausgetauscht oder modernisiert werden müßten. Folgt man der Marktstrategie von HDW, so gilt es nun, das in Südamerika erfolgreich praktizierte Schneeballsystem auf andere regionale Märkte anzuwenden, im Mittleren Osten und vor allem Afrika. Südafrika als Einstiegsdroge Südafrika dient der HDW als „Einstiegsdroge“, um den afrikanischen U–Boot–Markt künstlich in Bewegung zu bringen in der Hoffnung, einen Löwenanteil dieses noch schlummernden U–Boot– Marktes für sich erschließen zu können. Als aggresive Macht, die auch in früheren Jahren schon Schiffe vor der Küste Angolas versenkt hat, ist Südafrika für dieses Unterfangen der HDW auf dem afrikanischen Kontinent geradezu prädestiniert. Skeptiker mögen dagegen einwenden, daß Blaupausen schließlich ncoh keine U– Boote seien. Aber dieser Einwand geht daneben, denn Pretorias Besitz von HDW/IKL–Konstruktionsunterlagen für die U–Boot– Typen 209 und 206 muß mit folgenden Tatsachen in Verbindung gesetzt werden: - Die Anwesenheit früherer U–Boot–Ingenieure der HDW in Südafrika und damit die Option Südafrikas, eigene U–Boot–Baukapazitäten zu entwickeln. - Die Option Südafrikas für eine U–Boot–Kooperation mit Chile. In diesem Zusammenhang ist von Bedeutung, daß die bundesdeutsche Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) am 24. Juni 1981 mit Chile einen HERMES–verbürgten Darlehensvertrag über 2,03 Millionen Mark „zur teilweisen Finanzierung für Ausrüstungen für eine Schiffbauwerkstatt“ der chilenischen Marine–Werft Astilleros y Maestranzas de la Armada (ASMAR) geschlossen hat. Nach Informationen des ANC hilft auch Pretoria Chile bei der Finanzierung neuer Werftanlagen. Chile besitzt seit 1984 und 1985 zwei bei der HDW in Kiel gebaute U–Boote des Typs 209. - Die mögliche Option Südafrikas für eine U–Boot–Kooperation mit Israel, das seine Marinewerft Israel Shjipyards Ltd. in Haifa um eigene U–Boot–Baukapazitäten erweitern will. Schon inder Vergangenheit hat Israel auch der chilenischen Militärjunta bei der Beschaffung von Flugschnellbooten unter die Arme gegriffen. Derzeit sucht Israel Ersatz und Abnehmer für seine drei veralteten, aber noch modernisierungsfähigen U–Boote vom HDW–Typ 206, die in den 70er Jahren nach Konstruktionsplänen des IKL in England gebaut wurden. Die Möglichkeiten Pretorias, über kurz oder lang die HDW/ IKL–Blaupausen zur Anwendung bringen zu können, müssen demnach als sehr hoch eingestuft werden. Sie können sowohl der kurzfristigen Übernahme und Modernisierung der 206–U–Boote Israels für Südafrika dienen als auch dem Nachbau des U–209–Typs in Chile für Südafrika. Auf mittlere Sicht kann der völlig eigenständige Nachbau von 209– und/oder 206–Typen in Südafrika auch nicht ausgeschlossen werden. In jedem Fall aber haben sich die Anliegerstaaten Südafrikas auf eine gestärkte U–Boot–Waffe Pretorias einzustellen und werden ihrerseits darauf geeignete Antworten finden müssen. Der HDW und ihren zahlreichen Zulieferern aus der Rüstungs– und Elektronikbranche - immer darauf bedacht, jedem konkurrierenden U–Boot–Anbieter einige Nasenlängen voraus zu sein - kann das nur recht sein. Nico Sönnichsen