Offene Empörung in der DDR über Kohl

Berlin (taz) -In einer groß aufgemachten Meinungsumfrage äußerten sich DDR–Bürger in der Donnerstagsausgabe des Zentralorgans der SED „Neues Deutschland“ zu Kohls am vergangenen Wochenende aufgestellten Behauptung, die DDR unterhalte Konzentrationslager. Übereinstimmend sahen die Befragten darin einen Versuch, die Entspannungspolitik zu vergiften. In mehreren Stellungnahmen wurde auch darauf verwiesen, daß in der DDR Nazi–Verbrecher „gründlich“ zur Rechenschaft gezogen worden seien. Weiter wird darauf hingewiesen, daß führende Politiker des Landes in Konzentrationslager festgehalten wurden. So war Volkskammerpräsident Horst Sindermann in den Konzentrationslagern Sachsenhausen und Mauthausen, SED–Politbüromitglied Hermann Axen verbrachte acht Jahre in den Konzentrationslagern Vernet, Auschwitz und Buchenwald. Der stellvertretende Ministerpräsident Alfred Naumann saß sechs Jahre in den Straflagern Gürs und Vernet sowie im Zuchthaus Brandenburg. Dort saß auch Erich Honecker acht Jahre. Unterdessen hat Bundeskanzler Kohl ungeachtet seines Vorwurfs die Einladung an Honecker zu einem Besuch in der BRD aufrechterhalten. Der Kanzler interpretierte inzwischen seine umstrittene Äußerung dahingehend, daß man über den Begriff Konzentrationslager „diskutieren kann“. Für ihn sei das Ansprechen des Problems, daß in Gefängnissen und Haftarbeitslagern der DDR Menschen schikaniert würden, kein „Rückfall in den kalten Krieg“. Den Begriff verwendete er nicht mehr. mtm