Profil zum Jubiläum

■ Diepgen verlangt politischen Spielraum für Berlin

Das Erstaunlichste an dem trüben Polit–Ökotop Berlin ist die Tatsache, daß ausgerechnet derjenige Politiker mittlerweile Kontur gewinnt, der als Ausgeburt betriebsamer Verschwommenheit sein Amt antrat: der Regierende Bürgermeister Diepgen. Bei der Frage, ob er anläßlich der 750–Jahr–Feier Ost–Berlin besuchen werde, hat er die harten Ermahnungen seiner rechten Freunde bis hin zur FAZ ignoriert, die ihn vor der Flucht aus dem Berliner Bausumpf in deutschlandpolitische Abenteuer warnten: Er wird nicht nur nach Ost–Berlin fahren, es solle auch ein „symbolischer Schritt“ sein. Das kann aber nur heißen, daß er auch an offiziellen Feier–Akten teilnimmt. Diepgen hat sich in seiner Grundsatzrede überraschend deutlich von der Deutschlandpolitik der CDU distanziert. Seine Rede ist geradezu eine Polemik gegen die Status–quo– Politik: Die Freiheit Berlins werde verkümmern, wenn die Stadt von „substanzlosen Solidaritätskundgebungen“ leben müßte. Er sieht einerseits eine Westorientierung der DDR, eine gemeinsame nationale Sehnsucht, und anderseits meint er, die Entwicklung einer DDR–Nation müsse ernst genommen werden. Auf diese „große nationale Debatte“ sei man im Westen geistig nicht vorbereitet. Das heißt ja wohl, daß diese nationale Debatte auf Blockfreiheit drängen könnte. Schärfer jedenfalls konnte er sich kaum vom neuesten chauvinistischen Antikommunismus in Bonn distanzieren. Daß Diepgen um Profil kämpft, ist verständlich als Akt politischer Notwehr, um dem Sog des Berliner Bausumpfs zu entkommen. Dennoch ist es eine Position: Von nun an darf man Diepgen an Diepgen erinnern. Klaus Hartung