„Moderate“ Moderatorin suspendiert

■ Nach Biermann–Interview darf Redakteurin bei Radio Bremen keine Live–Sendungen mehr machen / Redaktionsleiter–Vorwurf: Christiane Meyer bei „Emanzen, Grünen und Linken ohne Distanz“

Aus Bremen Klaus Schloesser

Gleich zwei Fernsehauftritte hatte Liedermacher Wolf Biermann am letzten Dienstag in Sendungen des Bremer Regionalfernsehens: Der erste - als Gast der Kurztalkshow „Stadtschnack“ um 18 Uhr - kostete seine Gesprächspartnerin am nächsten Morgen ihren Job als Moderatorin der Sendung. Was er um 18 Uhr gemeint habe, mußte Biermann um 19 Uhr in den regionalen Abend–Nachrichten noch einmal erläutern. Bundeskanzler Kohls Vergleiche der DDR mit den Konzentrationslagern der Nazis seien ein „Verbrechen, schlimmer als die Taten der Terroristen“ hatte Bier mann im Stadtschnack behauptet und damit „die verheerende Verharmlosung nationalsozialistischer KZs“ gemeint, die in Kohls Vergleichen mit mit verläßlicher Regelmäßigkeit steckt. Die Moderatorin hätte auf die Stichworte Kohl und Verbrechen „sofort distanzierend rückzufragen“ müssen, meinte Redaktionsleiter Dieter Lesche aufgebracht nach der Stadtschnack–Sendung. Bei der Redaktionssitzung am nächsten Morgen begründete er die sofortige Suspendierung der Stadtschnack–Moderatorin: „Bei Emanzen, Grünen, Linken und anderen, die Ihnen nahestehen, verlieren Sie jede journalistische Distanz.“ Christiane Meyer darf in Zukunft hinter die redaktionellen Kulissen Nachrichtentexte verlesen und redaktionelle Filmbeiträge vorproduzieren. „Kleinstmögliche Reaktion“ nennt Lesche diese seiner Auffassung nach „rein redaktionelle Umorganisation, die keinesfalls mit einer disziplinarischen Maßregelung“ verwechselt werden dürfe. Daß solche Verwechslungsgefahren von journalistischer Kritik und administrativen Maulkörben ihres Chefs Lesche auszuschließen sei, bezweifelt die Redaktion: So einig sich Redakteurinnen und Redakteure in ihrer Wertung des Biermann–Interviews als „journalistischem Fauxpas“ sind, so eindeutig haben sie sich auch gegen die daraus gezogenen Konsequenzen Lesches ausgesprochen. Das Recht, mit dem Buten & Binnen– Chef Lesche seine Entscheidungen öffentlich begründet, scheint für seine Mitarbeiter gegenwärtig nicht zu gelten. Sogar der Personalrat erklärte seine „Nichtzuständigkeit“, der Redakteursausschuß sieht auch keinerlei Anlaß für eine „außerordentliche Sitzung“. „Unglaublich“ unter den direkt Beteiligten findet „zitierfähig“ bislang allein Wolf Biermann das Vorgehen des Senders, mit der er - beim jetzigen Entscheidungsstand - das letzte Mal während einer Fernsehsendung diskutiert haben dürfte.