Kessel: Symbolische Wiedergutmachung

■ Zivilgericht beschäftigt sich mit Hamburger Kessel, in dem im Juni 800 Anti–AKW–Demonstranten von der Polizei festgehalten wurden / Schuldhafte Amtspflichtverletzung soll angeprangert werden

Aus Hamburg Michael Berger

Um es vorwegzunehmen: Ein Urteil fällte die Zivilkammer des Hamburger Landgerichts gestern nicht mehr, dieses wird erst am 6. März verkündet werden. In der gestrigen Verhandlung deutete aber alles darauf hin, daß der Spruch für die Kläger positiv ausfallen wird. Worum es geht: 113 von insgesamt 200 Kläger/innen vertraten mit zehn Anwälten ihre Forderung nach Schmerzensgeld in Höhe von jeweils 100 Mark als Ausgleich für die erlittenen Qualen im zu trauriger Berühmtheit gekommenen Hamburger Kessel. Bis zu 15 Stunden waren am 8. Juni - einen Tag nach der großen Brokdorf–Demonstration - mehr als 800 Demonstranten erst unter entwürdigenden Umständen auf dem Heiligengeistfeld und später in verschiedenen Hamburger Polizeirevieren festgehalten worden. Der Innenausschuß der Bürgerschaft hatte später festgestellt, daß die Einkesselung wohl rechtswidrig war, und auch das hamburgische Verwaltungsgericht schalt in einem Urteil die Polizeimaßnahmen als unrechtmäßig. Den Antrag des Anwalts der Innenbehörde, die hier Beklagte ist, das Zivilverfahren auszusetzen, bis der Spruch des Verwaltungsgerichtes rechtskräftig ist, lehnte gestern die Zivilkammer ab. Es ließe sich nicht absehen, so Richter Timmermann in seiner Begründung, wann Berufung und Revision abgeschlossen wären, dies könne mehrere Jahre dauern, ein „hinreichend enger zeitlicher Zusammenhang“ des Zivilverfahrens mit den Ereignissen sei somit nicht mehr vorhanden. Der Beschluß wurde im voll besetzten Saal mit Beifall aufgenommen, stellt er doch einen Teilerfolg der Kläger dar. Denn das Gericht bedeutete damit, die Sache zu einem schnellen, kostensparenden Ende bringen zu wollen. Zwar argumentierte der Anwalt der Behörde noch, die Demonstranten hätten eine gewisse „Mitschuld“ an dem Zustandekommen des Kessels, weil sie sich in einer Versammlung befunden hätten, von der die Polizei annehmen hätte müssen, daß sie Gewalt in der Innenstadt habe ausüben wollen. Aber der Widerstand der Beklagten blieb moderat, hatten die Anwälte der Kläger und Klägerinnen doch beteuert, die Schmerzensgeldforderung von 100 Mark pro freiheitsberaubter Nase hätte vor allem symbolischen Wert. Ein Blauer Schein könne den Eingekesselten zwar keine Genugtuung verschaffen, es käme ihnen aber primär darauf an, daß eine „schuldhafte Amtspflichtverletzung“ von seiten der Polizei und der Innenbehörde festgestellt würde.