Nicht siegen, dabei sein ist wichtig

■ Die SPD–Politikerin Anke Martiny zu Fragen der Macht / (Ver)zweifeln an der SPD / Sind Frauen für die „andere“ Politik bestimmt?

Von Maria Neef–Uthoff Frauen werden die Welt erlösen. Frauen werden Deutschland erlösen, Frauen werden die Bundesrepublik erlösen, Frauen erlösen die SPD. Denn sie sind von Natur aus gerecht. Da sie immer Opfer waren, wissen sie, wie man mit Opfern umgeht, vor allem, wenn man selbst die Macht hat. Frauen, aufgrund ihres sensiblen Sinns fürs Leben, sind gerade richtig gemacht für die Macht. Frauen sind was unheimlich Besonderes. Sie sind sensitiv, verantwortungsvoll, einfühlig, kreativ. Alles Eigeschaften, die sie zur richtigen Machtausübung qualifizieren. Die richtige Machtausübung hat eine andere Form als die gegenwärtige. Sie ist getragen vom Wunsch nach Gerechtigkeit. Von sensiblen, sonnigen Gemütern, denen die Macht Mittel ist, nicht Zweck. Verantwortlich treten sie zurück, wenn es um Kampf um Positionen für die eigene Person geht. Dies alles und noch viel mehr sagt uns die SPD–Politikerin Anke Martiny in ihrem schon im Herbst vergangenen Jahres erschienenen Buch „Wer nicht kämpft, ha schon verloren, Frauen und der Mut zur Macht“. Im gegenwärtigen Bundestagswahlkampf hat Frau Anke Martiny in der bayerischen Landesliste den vierten Platz, hinter Renate Schmidt, die den zweiten hat. Bei insgesamt 55 Plätzen gibts 13 Frauen (Quotierungsbeschluß). Aber die nächsten Plazierungen sind an Platz 15 und 25. Das so nebenbei. Warum schreibt eine SPD–Politikerin, die seit 1972 Abgeordnete ist und vor kurzem erst die Wahl für den bayerischen SPD– Vorsitz verloren hat, ein Buch? Und vor alen Dingen: für wen? Für mich bestimmt nicht. Zuerst war ich ärgerlich. Eine solch modisch, gefällig zusammengefaßte Abhandlung fremder und eigener Gedanken über Frauen und Macht - was soll denn das? Da werden mal wieder Wahrheiten an die Frau gebracht, wie sie seit zig Jahren kursieren. Da haben wir die tausendundeinste Analyse des Status quo - na und? Irgendwo in ihrem Werk schreibt sie aber von der Überzeugungsarbeit, und da hats bei mir „klick“ gemacht. Nicht ich soll überzeugt werden, nicht mene klugen Schwestern. Und mir wurde ganz warm ums Herz und ganz verständig, denn sie macht das, was wir auch dauernd immer wieder versuchen. Die Doofen zu überzeugen, die Uneinsichtigen, und hier vor allem die Männer. Gleichzeitig aber rechtfertigt sie sich, als SPD–Frau Frauenfrau zu sein, Karrierefrau zu sein. Und dafür sucht sie Gründe - jenseits von Macht. Das klingt dann in steilen Sätzen und unbeholfenen Formulierungen so: „Mein Gebiet ist die Politik. Ich gehöre zu den wenigen Frauen, die sch an die Spitze vorgekämpft haben. Aber ich habe mir die Tatsache, die Ausnahme zu sein, noch nie als persönliches Verdienst angerechnet. Zu bewußt ist mir die Zufälligkeit meines Weges, als daß ich große Befriedigung aus der abgeschrittenen Strecke ziehen könnte.“ Aber Anke, da gehst du nicht gut mit dir um, wenn du so was sagst, sei doch stolz auf dich, Mensch Frau. Laß doch das Geseiere über die andere Art von Macht durch die Frauen! Macht ist ein hartes Geschäft, und Macht hat auch immer dami zu tun, daß man will, daß andere machen, was man selbst für richtig hält, ob man nun Mann ist oder Frau. Und das bedeutet oft Kampf, und du hast um den Kuchen gekämpft und ein Stück abgekriegt. Und da warst du sicher nicht immer besonders gerecht dabei. Und sei doch nicht so unaufrichtig dir selbst gegenüber, denn du sagst ja an anderer Stelle und über andere ganz verallgemeinernd folgendes: „Wenn Frauen in die Politik gehen, spielt oft der Zufall eine große Rolle. Von Wille zu Macht keine Spur. s ist auch fast sprichwörtlich, daß Frauen den Zufall als Begründung heranziehen, daß und warum sie Einfluß gewannen. Ich interpretiere das als typische weibliche Abwehr, auch nur entfernt in den Ruch zu kommen, Macht als Chance zur Veränderung bewußt wahrgenommen und ergriffen zu haben.“ Aber sie hat es getan, die Anke Martiny, und sie kann nicht dazu stehen, und auch deswegen muß sie ein Buch darüber schreiben. Wie sympathisch - oder gräßlich? Warum sind wir alle so verflixt hinter dem Vollkommeen her! Laß sie doch. Klar, ihre Lebensgeschichte, ihr Werdegang, ihr - verhaltenes - Leiden, ist alles drin. Seit ihrer Pubertät beschäftigt sie das „Problem Macht“. Ich meine, es gehört auch eine Portion Mut dazu, sich so der Öffentlichkeit zum Fraße hinzuwerfen. Welcher männliche Politiker würde das wagen. Und Souveränität muß man auch haben, wenn man sich nicht scheut, gängige Theoreme zu übernehmen. Da ist zum Beispiel die Familiensozialisation. Alles passiert in der Familie: „Für das Leben as erwachsene Frau haben unsere Mütter ein Vorbild gegeben, das es uns oft schwermacht, eine eigene Person zu werden.“ Na ja, no comment. Sie ist mutig, souverän, unaufrichtig - eine klassische Macht–Politikerin. Ist sie eigentlich auch kritisch? In einem Kapitel schreibt sie über ihre Partei. Daß Clara Zetkin leider wohl die einzige bekannte, herausragende Frau in der SPD gewesen sein muß. Daß die Frauen aber damals, als sie radikal wurden, zur USPD und zur KPD abgewandert sind (Zetkin/Luxemburg).Aber sie verteidigt die SPD: „Es gibt in Deutschland keine Partei und keine Bewegung, die sich so kontinuierlich, so zäh und streckenweise tapfer der Frauenfrage angenommen hat wie die deutschen Sozialdemokraten.“ Wenn die Sozialdemokraten auch nach 1919 gerne z.B. die Arbeiterwohlfahrt unterstützten, weil die kämpferischen Frauen dann dort ihre Zeit im Karitativen verbrauchten und so die Partei in Ruhe ließen. Doch sie ?????, sie zieht keine Konsequenzen, als Politikerin hat man an seiner Partei nicht zu zweifeln: „Wäre ich nicht Politikerin, ich müßte an den Parteien, auch meiner eigenen, zweifeln, wenn nicht verzweifeln.“ Anke Martiniy sagt nicht explizit, wie Frauen nun an die Macht kommen können. Ob durchs Parlament, durch Revolution oder durch sonst was. Frauen sollen ungehorsam sein, fordert sie. Und da schmelze ich wieder dahin, wie recht sie hat, oder auch bei ihrer Definition von Frauenbewegungen: die bei aller Banalität rührend richtig ist: Eine innere Bewegung, die Frauen bewegt in Bewegung zu bleiben. Und so bewegt findet dann auch der Griff zur Macht statt: „Aus uns selbst heraus schöpfen wir die Antriebskraft, die uns hilft, den Schritt zur Einmischung in das Feld politischer Macht zu tun.“ Das Ganze läßt sich nur mit Hilfe der „Passion“ bewerkstelligen, die Passion, die aus dem Guten und Gerechten gewonnen wurde: „Das weibliche Leben ruft nach einem anderen Politikbegriff, nach einer systemüberschreitenden Politik.“ Ist das nicht im höchsten Grade feministisch? Oder ird hier wieder das Weib ins „Andere“ gedrückt und machtvoll unschädlich gemacht? „Wer nicht kämpft, hat schon verloren, Frauen und der Mut zur Macht“ von Anke Martiny, Rowohlt Verlag, Hamburg, September 86

Anke Martiny Foto: ap