Iran will letzte Schlappe am Golf ausgleichen

■ Die Dauer der verlustreichen Kämpfe deutet auf iranische Geländegewinne hin / Zahl der Toten und Verletzten ging in die Zehntausende Beide Kriegsgegner wollen vor der Sitzung der Islamischen Konferenz–Organisation durch militärische Erfolge ihre Position stärken

Aus Bahrain William Hart

Seit vier Tagen tobt die Schlacht am Fischsee vor den Toren der irakischen Hafenstadt Basrah. Der Kampf um zehn Quadratkilometer irakisches Territorium fordert Zehntausende von Toten und Verletzten und entwickelt sich zum Prestigeduell zwischen Teheran und Bagdad. Natürlich geht es auch um Gewinn oder Verlust des wegen seiner Nähe zu Basrah strategisch wichtigen Grenzgebietes. Aber die Härte der Schlacht läßt sich nur vor dem Hintergrund des in zwei Wochen in Kuwait geplanten Treffens der Organisation der Islamischen Konferenz verstehen. Iran und Irak möchten durch einen militärischen Erfolg ihre Position stärken. Teheran will die Verschiebung der Konferenz und ihre Verlegung an einen anderen Ort erzwingen. Und gerade deshalb will Bagdad jeden militärischen Erfolg Irans verhindern. Eine Auseinandersetzung, bei der keine Seite nach den Verlusten fragt. Dabei bleibt die militärische Taktik Irans unverändert. Zehntausende von Kriegsfreiwilligen werden in den Tod gehetzt, um die Schwachstellen der irakischen Verteidigungsstellungen aufdecken zu können. Dieses für ausländische Beobachter unsinnig erscheinende Vorgehen erhält seinen Sinn nur durch den Zynismus der islamischen Führung in Teheran. Der erste Versuch, die irakischen Verteidigungsstellungen zu durchbrechen, scheiterte Weihnachten und kostete wahrschein lich 20–30.000 iranische Kriegsfreiwillige das Leben. Der Angriff am Shatt al Arab brach innerhalb weniger Stunden zusammen. Irak war offensichtlich über Umfang und Zeitpunkt der Offensive informiert. Daß nicht einmal zwei Wochen nach Ende der Kämpfe die neue iranische Großoffensive erfolgte, scheint Irak überrascht zu haben. Die iranischen Truppen griffen an exakt dem gleichen Abschnitt auf einer Breite von etwa 40 Kilometern an. An dem etwa zehn Kilometer langen Fischsee gelang der Durchbruch. Äußerst dubios ist wiederum die Rolle der USA. Wurde der Irak etwa nicht, wie in den Vormonaten, mit Geheimdienstinformationen versorgt, so daß an der Front keine Alarmbereitschaft herrschte? Oder wurde Iran mit Informationen versehen, die zum Angriff ermunterten, um die Schlappe von Weihnachten wieder auszugleichen? Bisher gibt es noch keine Augenzeugenberichte vom Schlachtfeld. Die Dauer der Kämpfe deutet aber darauf hin, daß es den Iranern gelingt, immer neue Truppen in die eroberten Stellungen bringen. Iran kommt dabei das Gelände zugute. Kanalsysteme, die die Iraker zur Verteidigung geschaffen hatten, behindern jetzt den Einsatz der irakischen Panzer. Das Gelände ähnelt dem Kampffeld im Gebiet des 80 Kilometer südlich gelegenen irakischen Ölhafens Fao. Dort überquerten iranische Truppen im Februar vergangenen Jahres den Shatt al Arab. In der bisher blutigsten Schlacht des gesamten Golfkrieges gelang es ihnen, etwa 50 qm2 irakischen Territoriums zu besetzen, die sie heute noch halten. Auch bei der Schlacht am Fischsee scheint es den Iranern zu gelingen, sich Unterstände zu bauen, die einen minimalen Schutz vor den Angriffen der irakischen Kampfhubschrauber und Flugzeuge gewähren. Taktisch ist Bagdad in eine Zwickmühle geraten. Die Gegenangriffe müssen so schnell wie möglich erfolgen. Aber gerade mit der Konzentration der Kräfte wird die Schlacht nicht nur ungeheuer verlustreich, sondern auch aufgewertet. Damit geht die Rechnung Teherans auf, militärische Schwäche Iraks zu demonstrieren. Auch im Städtekrieg operiert Teheran nach dem gleichen Muster. Der permanente Artillerie beschuß Basrahs hatte unter der Bevölkerung der Stadt immer größere Unruhe ausgelöst. Iraks Präsident kündigte als Vergeltung ultimativ die gezielte Bombardierung iranischer Städte an, die dann prompt nach dem weiteren Beschuß Basrahs erfolgte. Auch hierbei hatte die Teheraner Führung ihr Ziel erreicht. Irak kann erneut bei der UNO angeprangert werden. Der Tod der eigenen Zivilisten ist dabei von der Teheraner Führung kühl eingeplant. Der Städtekrieg wird aber nicht nur international genutzt, sondern erfüllt auch eine innenpolitische Funktion. Die Notwendigkeit der Fortsetzung des Krieges wird mit der Bombardierung der eigenen Wohngebiete begründet. Teheran wird mit dieser Taktik wohl kaum die Verlegung der islamischen Konferenz erzwingen können, aber das Thema Golfkrieg dürfte bei dem Treffen der islamischen Staaten eine geringere Rolle spielen als eigentlich geplant war.