No Business like Show Business

■ Mit dem „Winterzauber“ in Hamburg begann der Grüne Bundestagswahlkampf / Entertainment statt Politik Beckmann warnt vor grüner Selbstzufriedenheit und will Mitglieder für Grünen–Wahlkampf mobilisieren

Hamburg (taz) - Die Grünen können es auch: Wahlkampf als Entertainment über die Bühne gehen lassen. Am Sonntagabend startete ihr „Winterzauber“ in Hamburg. Die Örtlichkeit war gut gewählt, Knopfs Music Hall auf der Reeperbahn hat Tradition als Revue–Palast. Die Nummernrevue, in der sich Popular–Kultur mit Polit–Beiträgen abwechselte, wollten sich immerhin 2.000 Zuschauer (18 Mark zahlten sie dafür an der Abendkasse) nicht entgehen lassen. Gekommen war ausschließlich die eigene Klientel, ihr präsidierte eine professionelle Moderatorin (Claudia Roth), mit der sehr viel Strass, Tüll und blendendes Lächeln auf die barocke Bühne kam. Der Kabarettist Matthias Deutschmann hatte Lacherfolge mit seiner Vision von fallenden Strommasten, die samtene Protestsängerin Bettina Wegener machte, daß es dem Publikum auch beim Lied gegen Ausländerfeindlichkeit warm ums Herz wurde (“Jesus war Türke und Jesus war rot/Jesus bleib oben, sonst schlagen sie dich tot“). Die türkische Jazz–Sängerin Özay und eine mit revolutionärem Pathos auftretende nicaraguanische Salsa– Truppe sorgten für ein multikulturelles Element, das sperrige Willem Breuker Kollektiv fegte Bläsersätze durch den Raum. Von hohem Unterhaltungswert war auch die Rede des Politlokalmatadors Thomas Ebermann, Platz eins der hamburgischen Grünen–Landesliste. In Anspielung auf die Wahlslogans von CDU (“Weiter so, Deutschland“) und SPD (“Der Beste für Deutschland“) erzählte er von der Empfehlung einer Werbeagentur an seine Partei: „Verwendet den Slogan Deutschland bleibt Deutschland, der ergibt zwar keinen Sinn, es kommt aber zweimal Deutschland drin vor.“ Wiederaufkeimender Nationalismus ist Ebermanns Thema und Christian Ströbele wagte es, vor dem zum Fundamentalismus neigenden Hamburger Grün–Alternativen–Publikum die Politikfähigkeit der Grünen zu reklamieren, womit er Unwillen erntete. „Der Wahlkampf ist ein absolutes Trauerspiel“, soll Otto Schily - laut Spiegel - gesagt haben. Auf den „Winterzauber“–Auftakt trifft das jedenfalls nicht zu, hier war Wahlkampf Frohsinn, professionell gesteuert. Daß die Tournee doch noch traurig wird, - Auftritte in Ludwigshafen, Bochum, Freiburg, Offenbach und Erlangen stehen noch aus - , befürchtet Grünen– Vorstand Lukas Beckmann. In einem Rundbrief appellierte er an die Mitglieder „mit Nachdruck“, „die letzten beiden Wochen nicht als Zuschauer vorbeiziehen zu lassen“. Der „Mobilisierungsstand“ und der Kartenvorverkauf für das Spektakel sei „besorgniserregend“. Er wrant davor, sich schon mit mit acht Prozent im Bundestag zu sehen und dabei ganz vergessen, daß der nötige (Wahl)Kampf noch aussteht“. mib