Nach Aufwertung: Wann kommt die Zinssenkung?

■ DM ist als Anlagewährung zu attraktiv / Gefahr neuer Aufwertungen

Von Ulli Kulke

Berlin (taz) -Anders als nach früheren DM -Aufwertungen kam es zum Wochenbeginn diesmal kaum zu Abflüssen von Spekulationsgeldern aus der Bundesrepublik. Im Gegenteil: Der US– Dollar, der in keinem direkten Zusammenhang mit der Umbewertung im europäischen Währungssystem EWS stand, sackte am Montag gegenüber der DM noch weiter ab, am Dienstag ging er sogar unter die jetzt lange gehaltene 1,90–DM– Marke, die Spekulanten behalten auch nach der Aufwertung die DM. Währungsexperten hatten das Gegenteil erwartet. Diskutiert wird daher in Bankerkreisen jetzt, ob dem europäischen Währungsschnitt vom Wochenende eine Zinssenkung in der BRD folgt. Eine solche Maßnahme würde die Attraktivität der DM als internationale Anlagewährung verringern, ihren Kurs mithin drücken. Wie üblich, so war auch dieses Mal die DM–Aufwertung zumindest zwei Tage zuvor absehbar. Devisenspekulanten mußten daher - so sie rechtzeitig vom Skifahren zurück waren - noch schnell vor der anstehenden Aufwertung DM kaufen, um sie hinterher zu einem höheren Kurs wieder losschlagen zu können. Dieses Losschlagen hatte in der Vergangenheit regelmäßig dazu geführt, daß die DM nach ihrer Aufwertung einen kurzzeitigen „ Schwächeanfall“ erlitt. Der blieb jetzt aus, man setzt weiterhin auf die DM. In Paris gaben die Devisenspekulanten laut Handelsblatt die Parole aus: „Wir warten jetzt schon auf das nächste Realignment“. Bundesfinanzminister Stoltenberg hatte unmittelbar nach der Sitzung der Finanzminister am Sonntag die DM– Aufwertung als ein „klares Signal“ bezeichnet und gehofft: „Ich bin davon überzeugt, daß kurzfistig das rein spekulative Kapital wieder in die richtige Richtung geht“. Die Hoffnung trog. Die bundesdeutschen Währungspolitiker müssen sich jetzt etwas ausdenken. Die Exportwirtschaft wird wegen der Aufwertung unzufrieden - eine absehbare Haltung, weswegen nach dem Willen der Bundesregierung der Währungsschnitt ursprünglich auf die Zeit nach der Bundestagswahl verschieben. Deutsche Exportgüter werden im Ausland jetzt teurer. Nach Ansicht des Bundesverbandes der deutschen Industrie hätte die Entscheidung zur Aufwertung „nicht getroffen zu werden brauchen“. Das Hamburger HWWA–Institut für Wirtschaftsforschung rechnet insgesamt mit einer „Verschlechterung der Exportchancen“. Viele erwarten daher jetzt eine Zinssenkung in der BRD, um die DM–Anlage - Attraktivität und damit die Nachfrage nach ihr zu bremsen. Frankreichs Finanzminister Balladur erklärte vor der Presse in Paris, daß jetzt der Weg zu einer Senkung der deutschen Marktzinsen frei sei. Auch aus den USA kommen ähnliche Stimmen. Die amerikanische Presse nahm am Montag weitgehend den transatlantischen Fehdehandschuh von Ende vergangenen Jahres wieder auf: Ruhe an der Währungsfront trete erst ein, wenn sich das Verhältnis Dollar–DM stabilisiere. Dafür müssten in der BRD die Zinsen gesenkt werden, meinten eine Reihe von Kommentatoren. Die US– Regierung erhofft sich durch eine Zinssenkung eine Ankurbelung der deutschen Wirtschaft und dadurch erhöhte Bereitschaft zu Importen aus den USA. Seitens der Deutschen Bundesbank, für die Leitzinsen im deutschen Bankengewerbe zuständig, wollte man sich gestern zu diesen Vorschlägen und Mutmaßungen - wie bei ihr üblich - nicht äußern. Eine Diskontsatzsenkung für den kommenden Donnerstag wollte die Sprecherin allerdings auch nicht ausschließen. Sie gestand immerhin ein, daß diesmal im Gegensatz zu den Tagen nach vorangegangenen DM–Aufwertungen die Spekulanten deutlich hartnäckiger an der DM festhielten.