Und Geld stinkt doch...

■ Reger Betrieb herrscht auf Italiens Müllkippen, seit ein 1,4 Mio. DM–Gewinnschein versehentlich im Abfalleimer landete / Glücksjäger hoffen auf große Müllschatzfunde

Rom (taz) - Entweder die „Madonna del Rosario“ (Rosenkranz–Madonna) hat in ihrer Wundertätigkeit nachgelassen, oder sie liebt es einfach nicht, wenn jemand Profanes von ihr erbittet. Maria DIncalci, 60, pensionierte Kindergärtnerin aus Pescara, ist jedenfalls in tiefe Zweifel verfallen: Da hat sie, im Anschluß an eine Wallfahrt zur Madonna, quer über den Stiefel nach Pompeji, ein Los der „Lotteria dItalia“ gekauft - und den dritten Preis gewonnen: eine volle Milliarde Lire, umgerechnet 1,4 Millionen Mark. Aber irgendeine höhere Gewalt hat ihr das Glückszettelchen entwunden - es geriet in den Abfall, von da in die Mülltonne, und inzwischen auf die fünf Hektar große Müllhalde Pescaras. Der Müllhaldenwärter, vom Fernsehen interviewt, „wunderte sich seit Tagen“, warum ganze Heerscharen von Pescaresen anrücken und seine sonst so gemiedene Abfallgrube besteigen, durchwühlen und wieder von vorne umgraben. Bis auch er den „Geheimtip“ bekam und selbst eifrig mitbuddelte. Doch wir wären nicht im lotteriesüchtigen Italien, hätte es nicht ein Einsehen - allerdings nur ein halbes - gegeben. Die staatliche Gewinnspielverwaltung bleibt zwar weiterhin hart, weil das Reglement die Vorlage des Gewinnscheins verlangt. Aber die städtische Müllabfuhr zeigte Mitgefühl: Die Deponie wurde nicht weiter zugeschüttet. Die Schatzsuche konnte weitergehen. Und wir wären auch nicht in Italien - wo die Existenz des Teufels nach päpstlichem Dogma neuerdings sozusagen wieder amtlich ist - wenn nicht irgendein Beelzebub mittlerweile gleich dutzendweise in allen möglichen anderen Städten streuen würde, daß auch auf dortigen Müllhalden ungehobene Los–Schätze liegen. Seither droht die Glücksjagd zur nationalen Katastrophe auszuarten. Nicht nur, daß sich der Absentismus in Büros und Fabriken bedrohlich verstärkt, nicht nur, daß sich Tausende von Goldgräbern aufgrund des Sauwetters Grippen aller Arten holen: Auch der Haussegen hängt allenthalben schief, wo eifrige Spatenträger schon im Morgengrauen ausrücken und andere auch noch nachts knietief zwischen Flaschen und Fischgräten, Babywindeln und faulem Fleischabfall herumwühlen. „Und es stinkt doch“, soll der letzte Satz gewesen sein, den einer der erfolglosen Müll–Verwerter hörte, bevor ihn seine Frau mit „irgendetwas Hartem“ (Polizeibericht) auf den Kopf und damit krankenhausreif schlug. „Die Madonna hats gegeben, die Madonna hats genommen“, tröstet sich Maria DIncalci. Wegen des Andrangs mußte die Stadtverwaltung von Pescara nun den Zugang zur Müllhalde absperren. Der Lottoschein wurde bisher nicht gefunden. Werner Raith