Bayern verbietet erneut Anti–Atom–Konferenz

■ Mietvertrag mit der Stadt Nürnberg war bereits unterzeichnet / Innenminister will keinen rechtsfreien Raum für gewalttätigen Teil der Anti–AKW–Bewegung / Stadtverwaltung legt keinen Widerspruch ein / Veranstalter klagen gegen Sofortvollzug des Verbots

Von Bernd Siegler

Nürnberg (taz) - Kurz nachdem die Stadtverwaltung den Mietvertrag mit den Veranstaltern der Bundeskonferenz der Bürgerinitiativen gegen Atomenergie (BUKO) für das Nürnberger Jugendzentrum KOMM unterzeichnet hatte, wies das bayeri sche Innenministerium per Fernschreiben die Bezirksregierung von Mittelfranken an, die Bundeskonferenz der Bürgerinitiativen gegen Atomenergie (BUKO) wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz zu verbieten. Nürnbergs Rechtsreferent Dr. Sauber hat bereits zu erkennen gegeben, daß von seiten der städti schen Behörden kein Widerspruch gegen das Verbot eingelegt werde. Die abenteuerliche Begründung stellt das Verbot der letzten Bundeskonferenz, die Ende November 1986 in Regensburg stattfand, weit in den Schatten. Mit dem für ganz Nürnberg gültigen Verbot will das Innenministerium dem „gewaltorientierten Teil der Anti–AKW–Bewegung keinen rechtsfreien Raum zur ungehinderten Aufforderung, Befürwortung und Diskussion von Straftaten gewähren“. Die neue BUKO in Nürnberg solle, so das Innenministerium, lediglich das BUKO– Verbot von Regensburg „unterlaufen“. Als Anlaß für die Anweisung des Verbots dienten Unterlagen und Äußerungen der Veranstalter, die „gegenteilige Äußerungen als Lippenbekenntnisse erscheinen lassen“. Wie in Regensburg wird an der Sammlung von Diskussionspapieren dem sog. „Reader“, Anstoß genommen. Fortsetzung auf Seite 2 Daß die Nürnberger Veranstalter, zu denen auch die Bundestagsfraktion der Grünen zählt, den Reader bereits aus taktischen Grünen als offizielle Diskussionsgrundlage zurückgezogen hatten, nützte ihnen nichts. Dieser Reader, so das Innenministerium sei in großer Zahl verbreitet worden und auch jetzt noch erhältlich. Darin werde „unverhohlen“ zur Beschädigung von Strommasten, Sachbeschädigung und Blockaden aufgerufen. Des weiteren werde die Bundesregierung für die „Ermordung der RAF–Terroristen Baader, Ensslin und Raspe verantwortlich“ gemacht. Auch der Auftritt der grünen Europaparlamentarierin Brigitte Heinrich und des Zukunftsforschers Robert Jungk bei der Bundeskonferenz lasse Äußerungen strafbaren Inhalts erwarten. „Frau Brigitte Heinrich unterhielt Beziehungen zu RAF–Angehörigen“ und sei 1981 wegen Verstoßes gegen das Kriegswaffengesetz rechtskräftig verurteilt worden. Robert Jungk sei am 8. November in Hanau „durch gewaltbejahende Äußerungen aufgefallen“. Mit der Anweisung an die Bezirksregierung, die zuständige Rechtsaufsichtsbehörde über die Stadt Nürnberg, wird der Mietvertrag ebenso hinfällig, wie die bisherige Haltung der Stadtverwaltung, die zunächst eine Durchführung der BUKO zulassen wollte. Zuvor hatten sich SPD und Grüne, die im Nürnberger Stadtrat die Mehrheit besitzen, eindeutig für die Durchführung der BUKO ausgesprochen und ihre Mandatsträger aufgefordert, dafür Sorge zu tragen. Die Veranstalter wollen so schnell wie möglich gegen den sofortigen Vollzug dieses Verbotsbescheides Rechtsmittel einlegen. Das Verbot der letzten BUKO in Regensburg war jedoch bereits vom Verwaltungsgericht in Regensburg und vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof bestätigt worden. Flankierend zur BUKO sollte im KOMM der Bundeshauptausschuß der Grünen tagen. Ulli Tost verwies darauf, daß ein eigenstädniger Mietvertrag mit der Stadt bestehe. „Das wird eine interessante Geschichte, ob die im Parteiengesetz vorgesehene freie Ausübung der Parteienarbeit behindert wird.“ Tagesordnungspunkt Nummer 1 des Bundeshauptausschusses ist die BUKO. „Wir werden keinen Deut nachgeben und jeden Boden Demokratie, den es in Bayern noch gibt, verteidigen“, kündigte Tost an.