I N T E R V I E W Fischer: „Ende der Fahnenstange“

■ Der hessische Minister für Umwelt und Energie, Joschka Fischer, nimmt Stellung zum ALKEM–“Bluff“ seines Kollegen, des Wirtschaftsministers Ulrich Steger

taz: Am Dienstag tagte in Wiesbaden das Kabinett. Ich nehme an, daß die von Steger vorangekündigte Aufrechterhaltung der Plutoniumwirtschaft Thema war. Wie hat sich der grüne Minister verhalten? Fischer: Ich habe zunächst einmal deutlich gemacht, daß wir im Vorfeld lediglich darüber informiert waren, daß Steger den ALKEM–Antrag ablehnen wollte. Das fanden wir auch in Ordnung. Über den zweiten Teil allerdings waren wir nicht informiert, auch wenn Steger Gegenteiliges behauptet. Seine Vorschläge, wie die Plutoniumfabrik ALKEM doch noch zu ihrer Genehmigung kommen könnte, sind für uns völlig unakzeptabel. Das habe ich auch im Kabinett klargestellt. Welche Konsequenzen zieht der grüne Minister? Wir befinden uns in einer brisanten Situation. Das ist mit uns nicht zu machen. Das sage ich in aller Deutlichkeit. Sollte Steger den geänderten Antrag der ALKEM genehmigen, sind wir Oppositionspartei. Das ist jetzt nicht eines der üblichen grünen Ultimaten, sondern eine Frage der Existenzberechtigung der Grünen. Wenn es nicht möglich ist, in dieser Koalition eine neue Politik zu eröffnen, die auf den Ausstieg aus der Atom– und Plutoniumwirtschaft hinzielt, dann macht diese Koalition keinen Sinn mehr. Sollte sich Steger mit seiner Haltung bei der SPD tatsächlich durchsetzen, ist das Ende der Fahnenstange erreicht. Diese Debatte muß ich jetzt mit dem Ministerpräsidenten führen. Wie geht es jetzt konkret weiter in Wiesbaden? Jetzt ist Wallmann dran, denn Steger hat ja angekündigt, den ALKEM–Antrag in der vorliegenden Form nicht zu genehmigen. Wenn Wallmann Steger anweist, den ALKEM–Antrag zu genehmigen, dann muß Hessen vor das Bundesverfassungsgericht ziehen. Aber das ist doch ein aussichtsloses Unterfangen... Nein, ist es nicht. Es geht ja nicht um die Änderungsvorschläge, die Steger gemacht hat, sondern um die Ablehnung des ALKEM–Antrags. Und es geht um grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedenken gegen den Plutoniumstaat. Aber um es noch einmal deutlich zu sagen: Was Steger vorhat, ist ein Zuwachs in der Leichtwassertechnologie (Genehmigung zum MOX–Brennelementebau für die nächsten zehn Jahre, die Red.). Das ist - neben der damit verbundenen Aufrechterhaltung der Plutoniumwirtschaft - ein klarer Verstoß gegen die Koalitionsvereinbarungen. Wir werden unsere Auffassung dem Ministerpräsidenten schriftlich mitteilen. Interview: Klaus–Peter Klingelschmitt