I N T E R V I E W „Ich rechne mit Ärgernissen“

■ Interview mit Dr. Richard Sauber (SPD), Rechtsreferent der Stadt Nürnberg

taz: Sie haben erklärt, sie seien bei der BuKo von Anfang an von einem „Verbotstatbestand“ ausgegangen. Warum? Sauber: Das, was in Regensburg von der Stadt und den Gerichten als rechtens entschieden worden ist, werden wohl auch wir als rechtens anerkennen müsse andere Frage ist die, ob man dann von dieser Verbotsmöglichkeit auch Gebrauch machen soll, denn immerhin ist zu befürchten, daß es dann zu Eskalationen kommt. Deshalb hatte ich dem Bürgermeister vorgeschlagen, dem Innenministerium mitzuteilen, daß wir aus diesem Grunde nicht zu verbieten beabsichtigen. Damit haben wir dann offensichtlich die Weisung ausgelöst. Als wesentlichen Unterschied zu Regensburg haben die Veranstalter den Reader zurückgezogen. Von zurückgezogen war nicht die Rede. Im wesentlichen waren ja die gleichen Gruppen angesprochen, die sich auch für Regensburg interessiert haben und die sind natürlich schon von Regensburg her im Besitz dieses Readers. Außerdem wurde in Nürnberg der Restbestand verschickt. Hat das Rechtsamt einen Vermerk nach München weitergeleitet, daß man den Zusicherungen der Veranstalter bezüglich der Unterbindung strafbarer Äußerungen nicht trauen würde. Das stimmt so nicht. Wörtlich heißt es: „Inwieweit die Erklärungen der Veranstalter die Erwartungen ausräumen, daß bei den Veranstaltungen strafbare Äußerungen geduldet werden, mag zweifelhaft sein.“ Wird durch die Weisung des Innenministeriums das Selbstbestimmungsrecht der Stadt Nürnberg eingeschränkt? Es ist sicherlich richtig, daß die Entscheidungsbefugnis der Stadt durch diese Verfügung eingeschränkt wird. Aber der Vollzug des Versammlungsgesetzes ist eine übertragene Angelegenheit, d.h. die Stadt ist nicht nur in diesem Fall insoweit an die Weisungen der Fachaufsicht gebunden. Über dieses Verbot dürften Sie ja nicht glücklich sein, Ihre Befürchtungen könnten doch bestätigt werden? Ich hoffe dies nicht, aber ich habe diese Befürchtung. Ich nehme an, daß das Verbot gerichtlich bestätigt wird. Die Polizei wird dann in die Notwendigkeit versetzt, das Verbot zu vollziehen. Was es dabei an Ärgernissen gibt, bleibt abzuwarten. Ich rechne damit. Neu ist in der Verbotsbegründung, daß inzwischen schon eine Diskussion von strafbaren Handlungen strafbar ist. Die Grundlage der Beurteilung ist das Versammlungsgesetz. Es gibt eine kaum feststellbare Grenze zwischen Diskussion und Aufforderung. An der Diskussion beteiligen sich ja mehrere und wenn einer davon mit Nachdruck vertritt, daß Straftaten legitim sind, sind wir genau dort, wo die Grenze der erlaubten Diskussion überschritten wird. Das Interview führte Bernd Siegler