„BUKO wagen - Strauß verjagen“

■ Stadt Nürnberg vollzieht Verbot der Bundeskonferenz der Anti–AKW–Initiativen Veranstaltung soll trotzdem stattfinden / Großdemonstration am Samstag

Nürnberg/Berlin (taz) - Nürnbergs Polizei hat einen Spezialauftrag erhalten. Die Fahndung nach möglichen Ausweichquartieren für die seit Dienstag im Kommunikationszentrum verbotene Bundeskonferenz der Anti–AKW–Initiativen (BUKO) läuft auf Hochtouren. Die Beamten begutachten alle in der Stadt in Frage kommenden Räumlichkeiten. Damit versucht die Polizei, den Veranstaltern der BUKO zuvorzukommen, denn diese wollen trotz des Verbotes versuchen, in Nürnberg zu tagen und zu beratschlagen. Falls auch dies nicht möglich sein solte, will man die Kräfte auf eine nicht genehmigte Großdemonstration am Samstag um 10.00 Uhr konzentrieren, um dem „bayerischen Amoklauf einhalt zu gebieten“. Mindestens 5.000 Teilnehmer werden erwartet. Nachdem die Stadtverwaltung gestern nachmittag widerspruchslos die Verbotsverfügung vollzogen hat, muß heute die 5. Kammer des Verwaltungsgerichts in Ansbach über einen Eilantrag der Veranstalter entscheiden. Die Anwälte selbst räumen dem geringe Erfolgsaussichten ein, obwohl die Verbotsbegründung ihrer Meinung nach gegen das sogenannte Brokdorf–Urteil des Bundesverfassungsgerichts verstößt. Darin wird dem Recht auf Versammlungsfreiheit ein hoher Stellenwert eingeräumt. Die Anwälte werden notfalls bis zum Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe gehen. Der grüne Bundestagsabgeordnete Axel Vogel sprach von „einer pikanten Situation, daß eine Konferenz verboten wird, bei der eine Bundestagsfraktion Mitveranstalter ist“. Die Grünen halten daran fest, daß die parallel zur BUKO am Samstag um 13.00 Uhr im KOMM geplante Bundeshauptausschußsitzung stattfinden wird. Da derartige grüne Gremien prinzipiell öffentlich sind, ist Vogel gespannt, ob die „bayerischen Behörden die Ausübung der freien Parteiarbeit behindern“. Für den Fall, daß starke Polizeieinheiten das KOMM zur Durchsetzung des Verbotes umstellen sollten, wollen die im KOMM vertretenen Vereine vorsorglich Einstweilige Verfügungen gegen derartige Maßnahmen beantragen, um den freien Zutritt zum Haus zu gewährleisten. Als einen „unerhörten Vorgang“ bezeichnete der ehemalige Bundesverfassungsrichter Martin Hirsch diese Entscheidung der bayerischen Landesregierung. Fortsetzung auf Seite 2 Tagesthema auf Seite 3 Gastkommentar auf Seite 4 Christa Reinig Drei Zeilen Frohes Fest von Nachthemd zu Nachthemd Besonders im Hinblick auf das Brokdorf–Urteil des Bundesverfassungsgerichts im vergangenen Frühjahr, wo ein Demonstrationsverbot nachträglich für verfassungswidrig erklärt worden war, sei die Entscheidung des bayerischen Innenministeriums „unmöglich“. Nach diesem Urteil müsse eine „konkrete Gefahr“ die von einer Demonstration ausgehe nachgewiesen werden. Die Annahme, diese Gefahr könne von einem Menschen namens Jungk ausgehen, sei nicht ausreichend. Im übrigen seien, so Hirsch zur taz, nur Veranstaltungen unter freiem Himmel Beschränkungen ausgesetzt. Bei Veranstaltungen im Saal bestehe grundsätzlich Versammlungsrecht, es sei denn, „dort wird z.B. ein konkreter Mord verabredet“. Robert Jungk, dessen Teilnahme an der Bundeskonferenz explizit als ein Grund für das Ver bot genannt wird (seine Teilnahme lasse Äußerungen strafbaren Inhalts erwarten), erklärte gegenüber der taz: „Ich sehe in dem BUKO–Verbot ein weiteres, bedenkliches Anzeichen dafür, daß der bayerische Staat sich auf dem Weg in den Totalitarismus befindet“. Gegen ihn sei bis heute wegen seiner Rede auf der Kundgebung gegen die Hanauer Atomfabrik NUKEM/ALKEM kein Strafverfahren eingeleitet worden, sagte Jungk. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft in Hanau wegen seiner Äußerungen vor zwei Monaten hätten zu einer Anklageerhebung nicht ausgericht. „In der Tat läßt sich aus meinem in der Hanauer Rede verwendeten Zitat der 68er–Bewegung (“Macht kaputt, was euch kaputt macht“) kein Aufruf zur Anwendung physischer Gewalt herauslesen, die ich stets entschieden abgelehnt habe“. Neben Robert Jungk wird auch die grüne Europaabgeordnete Brigitte Heinrich vom bayerischen Innenministerium ausdrücklich als Grund für das Verbot genannt. Frau Heinrich erklärte dazu: „Reden, die noch gar nicht gehalten werden, sollen vorbeugend kriminalisiert werden. Nicht eine geheime Staatspolizei, sondern eine offen agierende, präventive Ministerialbürokratie hat sich zum Ziel gesetzt, demokratischen Protest, schon bevor er sich äußert, im Keim zu ersticken“. „Mit großer Besorgnis, daß die freiheitliche Substanz auf das reduziert wird, was konservativen Regierungen gerade noch tolerabel erscheint“, sieht der SPD Bundestagsabgeordnete Wilfried Penner nach Nürnberg. Das Grundrechtsgefüge stehe aber gerade für die, die nicht mit Mehrheitsmeinungen einverstanden sind. Sein Parteigenosse Volker Hauff sieht in dem Beschluß lediglich die „Angst der CSU vor ihren Wählern in der Oberpfalz“. Inzwischen böten sich Ausweichmöglichkeiten für die Atomgegnerkonferenz. Im Nachbarland Österreich, signalisierte das Außenministerium in Wien, hätte man keine Einwände gegen eine solche Konferenz: „Ein Ver bot einer solchen Konferenz wäre bei uns undenkbar.“ Doch auch in anderen Ländern der Bundesrepublik Deutschland löste die Münchner Entscheidung Verwunderung aus. Im Norden Deutschlands dürften sich Atomgegner weiterhin versammeln. „Ich weiß nicht, warum wir die Durchführung dieser Bundeskonferenz bei uns verweigern sollten“, fragt Volker Benke, Sprecher des niedersächsischen Innenministeriums. „Daß Robert Jungk dort auftritt, ist kein Kriterium. Wir haben doch eine Veranstaltungsfreiheit.“ Doch durch die Wahl des Ortes ginge es den Veranstaltern schon gar nicht mehr um die Durchführung der äußerst wichtigen Konferenz, kritisiert der ehemalige Berliner SDS–Vorsitzende und grüne Mitarbeiter in Bonn, Udo Knapp. „In Wirklichkeit sind die Bürgerinitiativen froh über den Konflikt, weil sie meinen, daß sie dadurch Leute mobilisieren können. Aber der Konflikt um die Atompolitik ist nicht machtpolitisch zu lösen.“ Das sieht der Bundestagsabgeordnete Rechtsanwalt Christian Strö bele offensichtlich anders: „Man kann nicht behaupten, daß das Verbot von der Seite der Veranstalter gesucht wurde. In den Vorgesprächen hat keiner geglaubt, daß es noch mal dazu kommen würde. Andererseits war auch klar, daß ein Verbot noch einmal mit letzter Deutlichkeit klarmachen würde, wie sehr die Regierungen mit ihrer Atompolitik mit dem Rücken an der Wand stehen. Insofern ist die Alternative nicht Streit um die WAA oder um Grundrechte. Dem Staat ist die Durchsetzung der Atompolitik so wichtig, daß er dafür riskieren muß, sich eine Auseinandersetzung um die Grundrechte einzuhandeln.“ Die Bürgerinitiativen wollen sich von dem wenig überraschenden Auftritt des Atomstaates nicht in die Enge treiben lassen. „Für uns gilt jetzt erst recht“, so einer der Veranstalter, „BUKO wagen, Strauß verjagen“. taz