Freispruch im Mutlangen–Prozeß

■ Blockierer/innen handelten nicht „verwerflich“ Richter ändert nach BVG–Urteil seine Meinung

Von Werner Jany

Schwäbisch–Gmünd (taz) - Nach weit über 1.000 Verurteilungen sind vom Amtsgericht Schwäbisch Gmünd am Donnerstag erstmals fünf Angeklagte freigesprochen worden, die vor dem Pershing–II–Depot in Mutlangen blockiert hatten. Richter Krummhard fand in vier Prozessen alle fünf Angeklagten nicht der Nötigung für schuldig. „Sie haben sich zwar rechtswidrig verhalten“, warf Krummhard den Angeklagten vor, „und Sie haben auch Gewalt ausgeübt.“ Allerdings sieht Krummhard in dem Verhalten der Blockierer nur einen Verstoß gegen das Versammlungsgesetz bzw. gegen die Straßenverkehrsordnung. Um den Tatbestand der Nötigung zu erfüllen, hätte noch das Tatbestandsmerkmal der Verwerflichkeit hinzukommen müssen. Dieses sieht Krummhard nach dem Spruch der Karlsruher Verfassungsrichter nicht mehr als gegeben an: „Nach dem BVG–Urteil kann nicht nur abgewägt werden, es muß abgewägt werden.“ Angesichts der Motivation der Angeklagten könne er deren Verhalten nicht als verwerflich bezeichnen, Fortsetzung auf Seite 2 wenn er die hehren Ziele gegen eine Einschränkung der Bewegungsfreiheit von Militärfahrzeugen - oft nur wenige Minuten - aufrechne. Richter Krummhard ist der einzige Richter am Amtsgericht Schwäbisch–Gmünd, der nach dem Karlsruher Urteil von seiner bisherigen Praxis abgewichen ist. Alle übrigen Amtsrichter verurteilen nach wie vor nach dem gän gigen Schema zu 20 Tagessätzen. Krummhard betonte ausdrücklich, daß er die Rechtsauffassung seiner Kollegen nach wie vor für legitim halte. Für ihn habe das BVG–Urteil jedoch einen Sinneswandel eingeleitet. Staatsanwalt Mayer, der allen vier Freispruch–Prozessen beiwohnte, kündigte an, daß er Rechtsmittel einlegen wolle. Die Staatsanwaltschaft habe allerdings noch nicht entschieden, ob direkt am Landgericht Berufung eingelegt werden soll, oder ob ein Präzedenzfall direkt an das OLG eingereicht werden soll. Privat könne er die Freisprüche verste hen, so Mayer, als Staatsanwalt fühle er sich aber verpflichtet, dagegen vorzugehen.