Der BASF–Gestank weckt heimatliche Gefühle

■ Rheinpartie von Umweltschützern aus Deutschland und den Vereinigten Staaten mit anschließendem Besuch einer Wahlveranstaltung der Grünen soll der Kontaktpflege dienen / Treffen mit Chemiearbeitern in Ludwigshafen Makabres Wetteifern um die Naturzerstörung in Amerika und Deutschland

Von Tina Stadlmayer

Ludwigshafen (taz) - „Oh wonderful! How old are these castles?“ Die Amerikaner sind begeistert von der idyllischen Rheinlandschaft, die der Intercity auf dem Weg nach Ludwigshafen durchquert. Und das, obwohl der Delegation von Umweltschützern noch am Morgen von den Grünen berichtet wurde, daß er sterbenskrank ist, unser Vater Rhein. Dar ryl Malek–Wiley, Vorsitzender des Sierra Clubs, des größten Naturschutzverbandes in den USA, ist ein gemütlicher, immer freundlich dreinschauender Mensch. Beim Anblick des Rheins bekommt er Heimweh nach dem Old Man River: „Der Mississippi bei uns in New Orleans ist dreimal so breit, und die Steamboats sind riesengroß - nicht so wie diese kleinen Schiffchen auf dem Rhein. Sogar Ozeandampfer fahren auf dem Fluß, aber leider waschen sie dort auch ihre Tanks aus.“ Als wir an einer Fabrikwand mit der Aufschrift „Coca Cola“ vorbeifahren, stöhnt Peter Bahout, der Leiter von Greenpeace in Amerika: „Oh, nein, das ist ja wie bei uns. Ich habe sogar in Paris einen McDonalds–Laden gesehen. Ich verstehe nicht, warum ihr denen nicht die Fensterscheiben einwerft.“ Die Delegation ist auf Einla dung der Grünen in die Bundesrepublik gekommen. Sie wollen sich hier über die Rheinverschmutzung informieren und Kontakte mit deutschen Umweltschützern knüpfen. Nach Ludwigshafen fahren sie, weil dort eines der größten Chemiewerke der Welt - gleichzeitig einer der Hauptverschmutzer von Rhein und Mississippi - seinen Hauptsitz hat: Die Badische Anilin und Sodafabrik - BASF. „Diesen Geruch kenne ich. Bei mir zuhause in Geismar/Louisiana riecht es genauso. Das ist der typische BASF–Gestank“ ruft Amos Favorite, Umweltschützer und Bürgerrechtskämpfer, als wir aus dem Zug steigen. Der 64jährige Farbige ist mit seinem knallbunten Pullover und der Schirmmütze (Aufschrift: „CSU–Tigers“, das ist seine Fußballmannschaft) die auffallendste Figur in der Gruppe. Obwohl er als Junge nur wenige Monate im Jahr in die Schule gehen durfte, ist er ein fantastischer Redner. Beim Treffen mit BASF–Arbeitern und Umweltschützern in Ludwigshafen halten alle den Atem an, als Amos loslegt: „Bei uns in Geismar ist das Trinkwasser braun und stinkt. Ich habe in den letzten Jahren fünf Mitglieder meiner Familie an Krebs sterben sehen. BASF vergiftet das Wasser und die Luft, und der Gouverneur hilft ihnen dabei, weil er bestochen wird.“ Bei der anschließenden Diskussion kommt es zu einem makabren Wetteifern darüber, wo die Situation schlimmer ist: bei uns oder in Amerika? In den Vereinigten Staaten werden giftige Chemikalien nicht nur in die Flüsse abgelassen sondern auch direkt in den Boden gepumpt. Dafür haben bei uns die Umweltschützer im Gegensatz zu den USA nicht einmal die Möglichkeit, die Zusammensetzung der abgegeben Gifte zu erfahren. Hier wie dort argumentieren die Firmen, sie könnten sich keine weiteren Umweltschutzmaßnahmen leisten, da sie sonst auf dem internationalen Markt nicht mehr konkurrenzfähig seien. US–Beamter berät BIs William Fontenot von der Staatsamwaltschaft in Lousiana löst großes Erstauen aus, als er berichtet, wofür er zuständig ist: Als Justizbeamter berät er Bürgerinitiaven in juristischen Fragen. Über einhundert Umweltschutzgruppen sind in Louisiana mit seiner Unterstüzung entstanden. „Ich bin allerdings in den Staaten der einzige Beamte mit einem solchen Auftrag. Mein Generalstaatsanwalt hat die Stelle geschaffen, weil er der Meinung war, daß bei uns im Umweltschutz zu wenig geschieht“ erläutert er seinen Zuhörern. Obwohl sich die Amerikaner nicht beschweren, machen sie den Eindruck, daß sie von dieser Art des „Erfahrungsaustausches“ etwas enttäuscht sind. Die deutschen Gesprächspartner berichten nur wenig Konkretes über ihre Umweltschutzaktivitäten. Außerdem ist die Verständigung schwierig, weil der Übersetzer fehlt. Amos Favorite verzichtet jedenfalls am nächsten Tag darauf, mit der Gruppe die Rheinauen zu besichtigen. Die anderen marschieren bei zehn Grad Minus (so kalt ist es in Louisiana nie) zur Rheininsel. Dort befindet sich - mitten im Naturschutzgebiet - eine riesige BASF–Abfalldeponie. Rede muß Musik weichen Abends werden die inzwischen völlig übermüdeten Amerikaner auf die Wahlkampffete der Grünen geschleppt. Willi Tatke, der örtliche Bundestagsabgeordnete, nimmt den Leiter der Delegation auf der Bühne in den Arm und verkündet: „Das ist mein amerikanischer Freund Richard.“ Der sollte eigentlich eine kurze Rede auf Deutsch halten, was dann aber kurzfristig vom Programm gestrichen wurde, weil das Publikum auf Musik steht und nicht auf politische Reden. Als Wolfgang Niedeken von BAP die Bühne betritt, tobt der ganze Saal. Richard Miller von der Chemiegewerkschaft in Lousiana weiß nicht so recht was er von dieser Art Wahlkampfveranstaltung halten soll: „Das hier erinnert mich an die Sechzigerjahre. Da hat es bei uns auch solche Benefizkonzerte gegeben.“