Frauen lassen Männer zu viel reden

■ „Die friedfertige Frau“ - kein Streitgespräch / Grüne Frauen luden zu einer Wahlveranstaltung nach Frankfurt ein / Gewaltlosigkeit aus Mangel an Gelegenheit / Marita Haibachs Selbstkritik und ihr „Fischer–Trauma“

Aus Frankfurt Heide Platen

Samstag abend, 20 Uhr. Vor dem Saal des Bürgerhauses im Frankfurter Stadtteil Bornheim stehen Hunderte Frauen Schlange. Sie drängen in eine grüne Wahlveranstaltung und erleben die „andere Qualität“, die den Veranstalterinnen, den Frauen des grünen Landesverbandes Hessen, vorschwebte. Auf dem Podium sitzen die grüne Europa–Abgeordnete Brigitte Heinrich, die Schriftstellerinnen Barbara Sichtermann und Cora Stephan und Marita Haibach, grüne Staatssekretärin in der hessischen Frauenbehörde. „Die friedfertige Frau“, ein Streitgespräch um Gewalt und Widerstand, war angekündigt. Das Streitgespräch fällt aus. Moderatorin Heinrich resigniert belustigt. Zu einhellig ist der Konsens von Podium und Zuhörerinnen. Barbara Sichtermann hat ihn in einem Satz zusammengefaßt: „Frauen sind nicht als Geschlechtswesen gewaltfrei.“ Cora Stephan: „Eine Strategie, die sich auf die Gewaltfreiheit der Frauen bezieht, muß versagen.“ Marita Haibach: „Ich bin der Meinung, Frauen sind nicht friedfertiger als Männer.“ Sichtermann hatte die vermeintliche Friedfertigkeit der Frauen in ihrem Referat eher vom Mangel an Gelegenheit seit Steinzeiten hergeleitet: „Notgedrungen ließ die Frau die Keule in der Höhle, weil sie ihr nichts genützt hätte gegen den vierschrötigen Nachbarn.“ Listige Ablenkungsmanöver aus „Furcht vor männlicher Gewalt“ seien eher ihre Sache gewesen, der defensive weibliche Charakter habe sich kurzum als „Pionier der Zivilisation“ erwiesen. Indem sie sich aber auch dem Schutz des männlichen Kriegers überantwortet haben, haben sich Frauen in der Geschichte der Kriege „aus diesem Egoismus mitschuldig“ gemacht. Cora Stephan ergänzte noch einmal nachdrücklich den Aspekt, daß die Diskussion um die Körper kraft von Frauen und Männern im Maschinen– und Computerzeitalter obsolet sei. Zur Theorie steuerte Staatssekretärin Marita Haibach ihre Erfahrungen im Amt bei: Sie wandte sich gegen das Klischee der „Feminisierung der Politik“. Frauen seien nicht „die Weichspüler der Politik“. Sie machte aus ihrem Herzen keine Mördergrube. Mittlerweile habe sie ein regelrechtes „Fischer–Trauma“. Die Erfahrung ihrer einjährigen Amtszeit habe gezeigt, daß sie immer im Schatten des medienwirksamen grünen Umweltministers Joschka Fischer gestanden habe. Es liege ihr nun einmal nicht, sich an des sen männlichen Verhaltensweisen zu orientieren und ihm die Show zu stehlen. Sie wünsche sich von Frauen, daß sie „diesem Imponiergehabe die Bewunderung versagen“. Ihre tägliche Erfahrung in der Politik sei: „Männer reden viel zu lange. Männer lassen Frauen nicht ausreden. Männer hören Frauen nicht zu.“ Selbstkritisch merkte sie an, daß sie in ihrer Behörde lernen müsse, aggressiver zu sein, „damit sich die Männer nicht an die liebe Frau gewöhnen“. Im Anschluß gab eine Diskutantin zu bedenken, daß es nicht „die Männer“ seien, die herrschen, sondern „bestimmte Männer“ und wahrlich nicht „die stärksten, sondern die Ältesten“. Die Tagespolitik kam zu kurz, die Wahlempfehlungen blieben aus. Eine Vertreterin der „Frauen–Partei“ sah sich auf der falschen Veranstaltung. Sie beschwor die weibliche Stärke der Löwinnen, die für ihre Jungen kämpfen, und den Fleiß ihrer Mitstreiterinnen „beim Aufbau der Landesverbände“. Damit fand sie vor Sichtermann und Stephan so wenig Gnade wie Marita Haibach, die auf ihre Arbeit an den „Frauenförderplänen“ verwiesen hatte. Stephan verlangte von den Frauen in der Politik mehr „Egoismus und Narzißmus“: „Ich will sie sehen können!“