Wird die Altstadt Jerusalems „judaisiert“?

■ Gespannte Situation in Ostjerusalem nach dem Überfall auf zwei Israelis / Der Bürgermeister Jerusalems ruft zur jüdischen Besiedlung der Stadt auf, bis die Araber „zu einer kleinen Minderheit werden“ / PLO und Abu–Nidal–Gruppe bekannten sich zum Anschlag

Aus Tel Aviv Amos Wollin

Der Überfall auf zwei junge Israelis, die in der Jerusalemer Altstadt einkaufen gingen, hat die Spannungen in Ostjerusalem erneut angeheizt. Die israelische Polizei nahm am Sonntagabend einen dreißigjährigen Israeli fest, der fünf Molotow–Cocktails mit sich führte. Unmittelbar nach der Tat - die beiden Israelis waren mit Messerstichen verletzt wor den - waren die Stadttore geschlossen und fünfzig Palästinenser vorrübergehend inhaftiert worden. Zu dem Anschlag am Samstag haben sich unterdessen die Palästinensische Befreiungsorganisation PLO und die Abu–Nidal– Gruppe bekannt. Letzere drohte mit weiteren Überfällen, falls „Verhaftungen und Repression“ gegen Palästinenser fortgesetzt würden. Der Zustand der beiden Israelis wurde von der Krankenhausleitung als gut bezeichnet. Nach dem Überfall zogen Gruppen aufgebrachter Israelis durch die Straßen. Mehrere Häuser von Palästinensern wurden mit Steinen beworfen. In gemischten Wohnvierteln um die Altstadt wurden mehrere Palästinenser angegriffen und verletzt. Der Bürgermeister von Jerusalem, Teddy Kollek, erklärte, nach jedem derartigen Überfall sollten sich tausend Juden mehr in der Stadt ansiedeln. Koschava Hazaz, eine Angehörige eines der beiden Opfer, forderte gegenüber dem Bürgermeister, die Täter sollten „wie Eichmann“ zu Tode verurteilt werden. Kollek entgegnete, daß „Hundertausend Juden dazu gebracht werden sollten, in Jerusalem zu leben, sodaß die Araber zu einer kleinen Minderheit werden“. Auch Juval Neman, seines Zeichens Vorsitzender der Tehiya–Partei und Abgeordneter, erklärte, die einzig wirkungsvolle Reaktion sei eine dicht besiedelte jüdische Altstadt von Jerusalem. Bereits seit einiger Zeit gibt es eine Tendenz, die moslemischen Viertel der Altstadt zu „judaisieren“. Mehrere Familien wurden aus ihren Häusern in der Nähe von jüdischen Institutionen vertrieben, die zum Teil radikalen Zionistengruppen als Basis für eine angestrebte Expansion der Ansiedlung über die derzeitungen Grenzen des jüdischen Viertels hinaus dienen. Palästinensische Anwohner haben sich im vergangenen Monat zu Selbstverteidigungsgruppen zusammengetan, um sich gemeinsam der Vertreibung zu wiedersetzen. Vor einem Monat hatten zwei Dutzend prominente Palästinenser aus Jerusalem nach dem Überfall auf einen älteren Juden eine Erklärung veröffentlicht, in der derartige Akte verurteilt wurden. Einige Tage später wurden zwei Handgranaten in palästinensischen Häusern in Ostjerusalem entdeckt.