TÜV–Schiebereien in Phillipsburg

■ Dem Freiburger Öko–Institut liegen brisante Dokumente vor: AKW ging rechtswidrig in Betrieb / Ingenieurfirma arbeitete gleichzeitig für die Kraftwerkunion und den TÜV–Baden als Prüfungsinstanz

Berlin (taz) - Das Atomkraftwerk Phillipsburg II ist genehmigt worden und in Betrieb gegangen, obwohl die Überprüfung dieser Anlage noch gar nicht abgeschlossen war. Die Ingenieurfirma Dietrich und Partner, die wichtige Teile des Kraftwerks überprüfte, hat im Auftrag des Herstellers Kraftwerkunion (KWU) dieselben Anlagenteile berechnet, die sie später für den Technischen Überwachungsverein untersuchte. Außerdem waren Berech nungen zur Belastung des Reaktordruckbehälters fehlerhaft, was dem TÜV Baden auch bekannt gewesen sei. Dennoch habe der TÜV die Berechnungen als abgeschlossen bezeichnet und der Genehmigungsbehörde damit grünes Licht für den Einbau des Reaktor– Druckbehälters gegeben. So seien Verzögerungen beim Bau des Kraftwerks vermieden worden. Diese massiven Vorwürfe erhebt der Anwalt des Betriebsrates des TÜV Baden in Schriftsätzen für ein Arbeitsgerichtsverfahren um interne TÜV–Streitigkeiten. Dem Freiburger Öko–Institut und der Frankfurter Rundschau liegen die entsprechenden Dokumente vor. In dem Arbeitsgerichtsverfahren geht es um die Ernennung eines TÜV–Sachverständigen zum Abteilungsleiter im Fachbereich „Kerntechnik und Strahlenschutz“. Der Betriebsrat hatte der Ernennung widersprochen und auf erhebliche Unregelmäßigkeiten hingewiesen, in die der TÜV–Sachverständige bei der Genehmigung von Phillipsburg II verwickelt gewesen sei. Ende 1984 hatte der TÜV der Stuttgarter Landesregierung mitgeteilt, daß es in Sachen Phillipsburg „keine offenen Prüfungspunkte“ mehr gebe. Tatsache sei aber, daß selbst heute noch einige Prüfungen offen seien. Das Öko– Institut will eine Dokumentation zu dem „unglaublichen Vorgang“ vorlegen und die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses fordern. -man