Vage Empfehlungen zum Umgang mit Gentechnik

■ Bundestagskommission legt Bericht zur Gentechnik vor / Koalition und SPD begrüßten Bericht - Grüne dagegen / Keine Genmanipulation am Menschen

Aus Bonn Oliver Tolmein

Die „Normalisierung unseres Umgangs mit der Gentechnik“ zu erreichen, bezeichnete Wolf–Michael Catenhusen (SPD) gestern als ein Ziel, an dem die Bundestags–Enquete–Kommission „Chancen und Risiken der Gentechnik“ mehr als zwei Jahre lang gearbeitet habe. Mit dem gestern in Bonn vorgelegten Abschlußbericht dürften die CDU/CSU/FDP/SPD–Politiker dem erheblich näher gekommen sein. Die Gentechnik wird so normal und allgegenwärtig werden wie heute bereits die Atomkraft, denn daß Restrisiken bei ihrem Einsatz bleiben werden, wurde auf der Pressekonferenz von niemandem bestritten. Der Abschlußbericht der Kommission, dem mit Ausnahme der Grünen–Vertreterin Heidemarie Dann sämtliche Kommissionsmitglieder zugestimmt haben, empfiehlt dem Bundestag vor allem, ein verbindliches „Gesetz zur biologischen Sicherheit“ zu verabschieden, das die derzeit gültigen, aber nicht allgemein verbindlichen Sicherheitsrichtlinien der Zentralen Kommission für Biologische Sicherheit (ZKBS) ablösen soll. Allerdings, das betonte vor allem die CDU–Vertreterin in der Kommission, Hanna Neumeister, sollen die Sicherheitsbestimmungen des neuen Gesetzes flexibel handhabbar und leicht zu verändern sein - um die Nutzung verwertbarer Erkenntnisse nicht zu beeinträchtigen und dadurch Wettbewerbsnachteile für die bundesdeutsche Industrie zu bewirken. Nicht zugelassen werden sollen auch künftig Eingriffe in die menschliche Keimbahn. Keine Bedenken allerdings hat die Kommission gegen Eingriffe in die tierische Keimbahn geäußert - die von kritischen Wissenschaftlern und den Grünen als mögliche Vorstufe für Experimente am Menschen angesehen werden. Fortsetzung auf Seite 2 Siehe auch Interview Seite 9 und 10 Unterbinden will die Kommission für die nächsten fünf Jahre die Freisetzung gentechnisch manipulierter Mikroorganismen, Viren und nicht–rückholbarer Kleinstlebewesen. Pflanzen allerdings und Nutztiere sollen auch aus den Labors entlassen werden können. Daß das Verbot der Freisetzung von Kleinstlebewesen in der Kommission nur als vorläufig betrachtet werden darf, machte das Kommissionsmitglied Odenbach von der Bundesärztekammer deutlich. Auf die Frage nach dem möglichen medizinischen Nutzen der Gentenchnik wies er auf eine angebliche Möglichkeit zur Malariaprävention hin: Der Malaria übertragenden Fliege könnte man das für diese Übertragung verantwortliche Gen herausschneiden. Die neu konstruierte Rasse, so muß dieses Modell wohl zu Ende gedacht werden, muß freigesetzt werden und die Wildrasse verdrängen. „Das ist genau das in unserem Sondervotum enthaltene Szenario, das wir bei Freisetzung insgesamt befürchten: Die künstlich konstruierten verdrängen die Wildrassen“, bemerkt die wissenschaftliche Mitarbeiterin der Grünen Paula Bradish zu diesem Konzept. „Außerdem ist wahrscheinlich, daß so eine Freisetzung sich nicht nur auf die Verbreitung der Malaria auswirkt, sondern in unabsehbarer Weise auf das Ökosystem insgesamt.“ Auch der militärischen Nutzung der Gentechnik wurde keine eindeutige Absage erteilt: zwar sollen keine Forschungsprojekte aus dem Militärhaushalt gefördert werden, eine Ausnahme soll allerdings für defensive wehrmedizinische Forschungsprojekte gelten. Uneinig war man sich in der Kommission wie weit die Gentechniker in die gesellschaftliche Verantwortung genommen werden sollen. Während die CDU/ CSU mit einigen Sachverständigen in einem Zusatzvotum die weitgehende Freiheit der Forschung fordert, legt die SPD in ihrem Zusatzvotum auf die Betonung der Sozialbindung der Gentechnik Wert. Praktische Bedeutung wird diese Differenz sowohl für die Ausgestaltung des biologischen Sicherheitsgesetzes als auch bei der Vergabe von Forschungsförderungsmitteln haben. Die Grünen ziehen als Resümee der zweijährigen Arbeit: „Die Enquete– Kommission ist ihrer verantwortung gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern nicht gerecht geworden. der beeindruckende Umfang des Berichts sollte nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Kommission wesentliches versäumt, augeklammert oder ignoriert hat“.