Sowjetische Wirtschaft im Aufwind

■ Zentrales Moskauer Statistikamt: Qualitätsverbesserung noch nicht erreicht

Moskau (dpa/afp/taz)– „Deutliche Fortschritte“ habe die sowjetische Wirtschaft vor allem in den Schlüsselbereichen gemacht, jubeln die Moskauer Wirtschaftsplaner. Wie aus einem Bericht des Zentralen Amtes für Statistik hervorgeht, stieg die landwirtschaftliche Produktion gegenüber dem Vorjahr um 5,1 Prozent und mit mit 210 Millionen Tonnen wurde im Tschernobyljahr die weitaus beste Getreideernte seit 1978 erzielt. Die durchschnittliche Getreideernte in den Jahren zwischen 1981 und 1985 hingegen hatte nur 180,3 Millionen Tonnen betragen, weshalb die Sowjetunion zu großen Importen aus dem westlichen Ausland gezwungen war. Stimmten die Angaben, hätte die sowjetische Wirtschaft einen Schritt nach vorn getan. Das Nationaleinkommen stieg um 4,1 Prozent auf 590 Millionen Rubel, die Industrieproduktion nahm um 4,6 Prozent zu. Und auch der Zuwachs der Arbeitsproduktivität um 4,6 Prozent kann sich sehen lassen, zumal die Steigerung um 0,5 Prozent über dem Plan lag. Und last not least, das durchschnittliche Monatseinkommen stieg den Angaben zufolge auf 277 Rubel. Der Außenhandelsumsatz dagegen sank um acht Prozent auf 130 Milliarden Rubel. Als Grund hierfür wird der Preisverfall auf den westlichen Märkten für Brennstoffe und andere Waren angegeben. Bei festen Preisen im Handel mit den Ländern des RGW (Rat für gegenseitige Wirtschafts hilfe) dagegen wurde eine Steigerung von zwei Prozent erzielt. Insgesamt beträgt der Anteil des Handels mit den Ostblockländern 67 Prozent. Durchaus offen stellen die Statistiker aber auch die Schwachstellen der sowjetischen Ökonomie bloß. „Die Nachfrage nach einigen Lebensmitteln und Industriegütern habe in mehreren Regionen des Landes nicht befriedigt werden können“, heißt es in dem Bericht. Auch „wenn die verhängnisvolle Tendenz zum schwachen Wachstum überwunden“ worden sei, so sei die angestrebte Restrukturierung in einigen Bereichen nur langsam vonstatten gegangen und habe keine tiefgreifenden Ergebnisse gezeitigt. Auf dem Energiesektor seien wegen der Reaktorkatastrophe in Tschernobyl und der Trockenheit in vielen Landesteilen, die zu tiefen Wasserständen der Flüsse geführt hätten, die Planziele nicht erreicht worden. Auch die Erdölförderung (615 Millionen Tonnen) lag zwei Millionen Tonnen unter dem Ziel. Die Kohleförderung mit 751 Millionen Tonnen lag 17 Millionen Tonnen höher als erwartet. Bei Stahl, Autos (1,5 Millionen), Papier und Computern sind die Wirtschaftsplaner zufrieden. Und immerhin seien über zwei Millionen Wohnungen gebaut worden, die zehn Millionen Sowjetbürgern ein neues Zuhause geben. Für den Umweltschutz seien rund zehn Milliarden Rubel ausgegeben worden, dennoch, so die Statistiker, hätten die Unternehmen von mehr als drei Ministerien ihre Pläne für den Bau von Umweltschutzobjekten nicht erfüllt. Der Bericht machte auch noch eines klar: der Anteil von Waren hoher Qualität an der Gesamtproduktion ist mit 15 Prozent sehr niedrig. Und da auch die Modernisierung der Produktion nicht vorangekommen ist, sei „das technische Niveau niedrig geblieben“. Die Sowjetunion, so könnte man aus dem Bericht schließen, ist (noch) kein Konsumparadies, doch werden die Probleme nun in der Öffentlichkeit diskutiert. er