I N T E R V I E W Volkszählung mit Karatefrauen

■ Die parteilose Mönchengladbacher Frauenbeauftragte, Gabi Meyer–Ullrich, bietet Volkszählerinnen kostenlose Selbstverteidigungskurse an der Volkshochschule an / Angeblich Antidiskriminierungsmaßnahme

taz: Frau Meyer–Ullrich, sind die kostenlosen Selbstverteidigungskurse für Volkszählerinnen wirklich Ihr Ernst? Meyer–Ullrich: Ja, das ist mein Ernst. Ganz unabhängig davon, wie wir zur Volkszählung an sich stehen, kommen Frauen, die als Zählerinnen verpflichtet werden, in schwierige Situationen. Die Frauen gehen nicht freiwillig und mit Ängsten in diese Situation. Uns sind auch tätliche Übergriffe bekannt aus dem Volkszählungsvorlauf. Warum wollen Sie Frauen für diese unnötigen Gefahren fit machen? Warum sagen Sie nicht klar: Frauen dürfen nicht gegen ihren Willen als Zählerinnen eingesetzt werden? Das würde ich so nicht sehen. Das ist so dieser Tenor, Frauen seien für bestimmte Aufgaben und Arbeiten nicht geeignet. Ich denke, da begeben wir uns auf eine ganz gefährliche Schiene. Das hieße, Frauen dürften immer da, wo sie alleine mit Männern arbeiten, gar nicht eingesetzt werden. Genau das wollen wir nicht. Hier geht es aber nicht um arbeiten dürfen, sondern müssen. Das ist schon richtig. Aber ich befinde mich in völligem Einklang mit meinen Kolleginnen, wenn ich sage, wir müssen davon runter, daß wir Frauen grundsätzlich als eine besonderes schutzwürdige Gruppe ansehen. Ich denke - und deshalb auch dieses Angebot - einen Kursus in Selbstverteidigung sollte jede Frau machen, das ist etwas fürs Leben. Mir ist auch schon klar, daß dieser Kurs nicht sehr wirkungsvoll ist. Ich weiß, daß die Frauen nach einem Wochenende und den zwei Nachmittagen, die dieser Kurs dauert, nicht fit sind. Mir geht es dabei auch mehr um die psychische Stabilisierung. Also Mutmachen zur Tätigkeit als Volkszählerin? Mut, sich in solchen Situationen generell zu behaupten. Aber warum sollen Frauen ein Wochenende lang lernen, damit sie sich für einen Job in Sicherheit wiegen können, den sie eh nicht wollten? Männer haben das doch nicht nötig. Das würde ich nicht so ausdrücken. Ich würde auch sagen, daß es eine Menge schmächtiger kleiner Männer gibt, die sich ihre Angst nicht eingestehen, die vielleicht sogar noch gefährdeter sind, nicht im Hinblick auf Sexualdelikte, aber auf Aggressionen gegen die Volkszählung. Die Kurse werden ja auch für Männer angeboten. Ich hoffe aber, daß die Frauen zumindest für die Nachmittage auch Dienstbefreiung kriegen. Nehmen wir ein Beispiel: Fußgänger und Kinder sind im Straßenverkehr stark gefährdet. Würden Sie den Fußgängern jetzt einen Sprintkursus anbieten oder sollte man nicht eher darauf dringen, den Straßenverkehr zu drosseln. Was sollen wir machen, sollen wir Männer abschaffen oder ihnen verbieten, sich während der Volkszählung in ihren Wohnungen aufzuhalten? Das Gespräch führte Vera Gaserow