Endspurt im Wahlkampf: Feigenblatt und Ohren

■ Die FDP stellt sich als "Garant der Demokratie" dar und wird so auf acht Prozent wuchern

„Ich deutsches Außenminister, ich nix Englisch, nix Französisch“ - wer hätte damals, als zum Amtsantritt des sächselnden Liberalen eine Karikatur mit dieser Textzeile erschien, gedacht, daß dieser Mann einmal zum dienstältesten Außenminister Europas werden würde und in der Bundesrepublik zum „Garanten der Demokratie“, zum Inbegriff von „Kontinuität, Sachkenntnis, Ausgewogenheit und Berechenbarkeit“. So und ähnlich jedenfalls prangt es zum Wahlkampfendspurt von großflächigen Anzeigen, aufgegeben nicht nur von der ungeflickt chronisch finanzschwachen Partei, sondern von großzügigen Sympathisanten wie dem Dramatiker Hochhuth und der „Zeit“–Gräfin Dönhoff. Ein paar Seiten davor leitartikelt „Spiegel“–Augstein zum zweitenmal und kostenlos für die „Genscher–FDP“, und immer wieder ist es dasselbe Feigenblatt, das herhalten muß: Strauß. Dank dessen außenpolitischer Rhetorik - die Genscher–Fans sprechen gern von Ambitionen (Warum hast du so große Ohren, Big Ear? - Damit ich besser hören kann, daß Strauß Außenminister werden will!) - wird das Krebsgeschwür FDP auf stattliche acht Prozent wuchern Man braucht keine Demoskopie, um festzustellen, daß mindestens die Hälfte aller FDP– Stimmen diesem Weichspüler– Argument zu verdanken sein werden und daß die bleiernen Zeiten eigentlich schon da sind, wenn den ja nicht auf den Kopf gefallenen Herausgebern von Spiegel und Zeit, also der kritisch–bürgerlichen Öffentlichkeit, nichts besseres einfällt als Lenor.Trotz Schnees und Eis über 100 Wahlkampftermine wahrzunehmen und auch noch dem Rekord–Außenministertum nachzugehen, das ist schon eine Leistung - wo mir schon bei nur fünf Terminen einer, der Genscher–Frühschoppen in einer rheinland–pfälzischen Kleinstadt, wegen verschneiter Straßen durch die Lappen geht. Dafür flüstert mir auf der Rückfahrt ein kleiner Mann ins Ohr, daß doch Big Ear es ist, der in den letzten 15 Jahren das demokratische Spielchen hierzulande am Leben erhalten hat. Durch seine Wenden und Wechsel ist die Existenz von Sozis und Schwarzen garantiert, denn jeder darf mal ran ans Regieren, dank Genscher. Deshalb schonen ihn auch die Linken, deshalb haben SPD und sogar die Grünen fast nur Gutes für den Außenminister übrig: wer weiß, wann er sich wieder wenden könnte ... Matthias Bröckers