Verhinderte Chirac Geiselbefreiung?

■ Nach Berichten des Le Matin soll Chirac vor den Parlamentswahlen im letzten Jahr ein Abkommen zur Befreiung französischer Geiseln zum Scheitern gebracht haben

Aus Paris Georg Blume

Hat Jacques Chirac, noch bevor er nach den französischen Parlamentswahlen am 16. März 1986 zum Premierminister ernannt wurde, ein Abkommen zwischen Paris und Teheran zur Befreiung der französischen Geiseln im Libanon verhindert? Diesen schweren Verdacht gegen den französischen Regierungschef äußert die den Sozialisten nahestehende Pariser Tageszeitung Le Matin. Die Zeitung beruft sich auf „offizielle Dokumente“ von der Reise des Mitterrand–Vertrauten und französischen Nahostbotschafters Eric Rouleau vom 12. bis 14. März 1986 nach Teheran. Demnach stand die damalige sozialistische Regierung von Premierminister Laurent Fabius am 12. März kurz vor dem Abschluß eines Abkommens mit Teheran. Nur noch um „Ausführungsmodalitäten“, so die iranische Quelle, hätte die Diskussion mit Rouleau geführt werden müssen. Das Abkommen sah die Befreiung aller französischen Libanon– Geiseln im Austausch gegen die Abschiebung iranischer Oppositioneller aus Paris, die Befreiung des in Paris für die Beteiligung an einem Attentat gefangengehaltenen Khomeini–Freundes Anis Naccache und die Einlösung eines alten Schah–Kredits über 300 Mill. DM vor. Doch bereits am 13. März, so berichtet Rouleau in einem diplomatischen Telegramm dem französischen Außenministerium, kündigten die Ayatollahs alle Verhandlungen mit dem Mitterrand–Gesandten auf. Die Gründe für den prompten Gesinnungswandel der iranischen Machthaber zitiert Rouleau in seinem Telegramm entsprechend den Erklärungen des iranischen Sonderbeauftragten Mohammed Sadek. „Die französische Opposition“, so Sadek zu Rouleau, „würde seit drei Monaten Beziehungen zu den Geiselnehmern und iranischen Regierungskreisen unterhalten und ihnen auf diesem Wege ein sehr viel vorteilhafteres Abkommen versprochen haben, als es die derzeitige Regierung anbiete.“ Die Opposition hätte vor jedem Abkommen gewarnt, daß die sozialistische Regierung in den Augen der öffentlichen französischen Meinung aufgewertet hätte, so Sadek weiter. Die französische Regierung hat die Beschuldigungen von le Matin bereits am Montag dementiert. Der Sprecher des Premierministers sprach von einer „Vortäuschung falscher Tatsachen“. Indes können die Vorwürfe, sollten sie auch von anderer Seite bestätigt werden, für Jacques Chirac innenpolitisch schwer ins Gewicht fallen. Die Libanon–Geiseln sind in der französischen Öffentlichkeit ein nach wie vor bedeutendes Thema.