Linke Nischen, rechte Monopole

„Wir wollen nicht Legitimationsfarbtupfer sein“, meinen die Aktivisten von Radio 100 und ziehen deshalb als erstes Unternehmen unter den Berliner Anbietern der neuen privaten Medien wahrscheinlich vor den Kadi. Erst am vergangenen Freitag hatten sie vom Kabelrat die offizielle Bestätigung für eine Sendelizenz erhalten. Stein des Anstoßes ist für die Radioleute, daß sie im Gegensatz zu anderen - finanzstarken - Bewerbern lediglich vier Stunden Sendezeit in den werbeungünstigen Abendstunden erhalten haben. Damit aber könne man den Vorgaben des Kabelrates, sich vorwiegend aus Werbung zu finanzieren, nicht nachkommen. „Vier Stunden sind uns einfach zu wenig“, so der Geschäftsführer von Radio 100, Thimme. Außerdem, fügt er an, „kann Meinungsvielfalt nur dann zum Zuge kommen, wenn das bestehende Meinungsspektrum erweitert wird“. Angesichts der konservativ dominierten Medienlandschaft der Stadt will man sich keineswegs in einen linken Nischenfunk abdrängen lassen. Doch nach den vielen Pleiten im Kabelpilotprojekt ist der Kabelrat weniger experimentierfreudig und macht zusehends die wirtschaftliche Solidität zum Maß der Dinge. Was tut sich nun tatsächlich im Äther? Neben den gut empfangbaren DDR–Programmen und den zum Teil sehr beliebten Sendern der sogenannten Schutzmächte gibt es zunächst die Wellen des öffentlich–rechtlichen SFB. Just zum Jahresanfang möbelt man das Programm gemäß dem Zeitgeist auf. Das neue Styling, von hartnäckigen Kritikern als „Verblödungsvirus“ denunziert, lieferte wiederum der ehemalige Besatzungssender Rias, mittlerweile zweitgrößter Stadtsender. Bereits im letzten Jahr „modernisierte“ er sein Programm und ließ die Einschaltquoten bei der „guten alten Tante“ SFB rapide sinken. Vom Berliner CDU–Senat gefördert, will man beim Rias nicht nur Hörfunk machen, sondern wälzt seit längerem Fernsehpläne. Nachdem aus Washington das Placet kam, will auch der Kabelrat dem selbstverständlich nicht mehr im Wege stehen und versprach einen Platz auf dem ersten privaten Fernsehkanal im Äther. Doch die Opposition meldete bereits verfassungsrechtliche Bedenken an. Denn der Rias wird fast ausschließlich aus Bundesmitteln finanziert und untersteht direkt dem US–Informationsdienst USIA - somit ein lupenreiner Staatssender, den die deutsche Mediengesetzgebung nach den Erfahrungen im Dritten Reich nicht vorsieht. Wie diese Hürde genommen werden soll, ist bislang nicht ausgemacht, obwohl dem Kabelrat jemand vorsitzt, der es wissen sollte: der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts Benda. In den sogenanten Fernsehurteilen hatte er sich immer wieder für die Staatsferne des Rundfunks und für die Medienvielfalt eingesetzt. Der Person Benda war es schließlich auch zu verdanken, daß dem Kabelrat der Ruf vorauseilte, besser als das Gesetz zu sein, das ihn einst installierte. Nachdem im letzten Jahr jedoch peu a peu die Entscheidungen für die „Besetzer“ der neuen terrestrischen Frequenzen fielen, hallt von der Opposition immer öfter die Forderung nach „Überprüfung“ zurück. So geschehen, als dem ehemaligen Filmemacher Ulrich Schamoni der Löwenanteil auf der Frequenz 100,6 Megahertz zufiel, die auch Radio 100 belegen wird. Für die zwanzig Stunden, die Schamonis Sendegesellschaft bestücken soll, ist bislang nur soviel erkennbar: ein „middle of the road“–Programm mit amerikafreundlichem Touch. Alles weitere möchte FDP–Mitglied Schamoni nicht näher „konkretisieren“. Verheimlichen konnte er allerdings nicht, daß die Finanziers seiner Gesellschaft zum Teil der umstrittenen Berliner Baubranche entstammen. Als ein weiteres Ärgernis erwies sich die Entscheidung des Kabelrates, den ersten privaten Fernsehkanal an das Springer dominierte Sat 1–Unternehmen und nicht an RTL plus zu vergeben. Ausschlaggebend waren vor allem die medienwirtschaftlichen Versprechungen, die Sat 1 den standortgeplagten Berlinern machte - und wie sich jetzt herausstellte - auch anderen Bundesländern. Vermutlich nicht zur Kenntnis nehmen wollte man bei dieser Entscheidung, daß der maßgeblich beteiligte Springer– Konzern schon die Berliner Presselandschaft beherrscht. Zu recht fand dann auch die SPD, daß hier wie bei einer „Industriesiedlungsbehörde“ gehandelt wurde, ohne die medienpolitischen Folgen zu bedenken. Nicht Vielfalt, sondern ein rechtes Doppelmonopol sei zu erwarten. Birgit Meding