Koalition: Austausch Cordes möglich

■ Wahrscheinlich weiterer Deutscher in Beirut entführt / Libanesische Sicherheitskräfte bestätigen Entführung / CDU/CSU und FDP: Leben Cordes soll Vorrang haben / SPD: „Nicht nachgeben“ / Auslieferung Hamadehs an die USA vorläufig „völlig ausgeschlossen“

Bonn/Beirut(dpa/afp/taz)– Während es in Beirut vermutlich am Mittwoch zu einer zweiten Entführung gekommen ist, forderten die außenpolitischen Sprecher von CDU/CSU und FDP, Klein und Schäfer, die Bundesregierung gestern auf, den in Frankfurt verhafteten Mohamed Hamadeh zunächst nicht an die USA auszuliefern. Das Leben des in Beirut mutmaßlich von der Schiitenorganisation „Hizballah“ als Austausch–Geisel entführten Hoechst–Managers Cordes dürfe nicht gefährdet werden. Mit Ver weis auf den Entführungsfall Schleyer 1977 riet hingegen der damalige Justizminister und heutige SPD–Fraktionsvorsitzende Vogel der Bundesregierung, auch im Falle Cordes nicht nachzugeben. Vogel wörtlich: „Nur außergewöhnliche Umstände können es erlauben, jetzt von der Linie abzuweichen, über die schon seit 1977 Einvernehmen herrscht.“ Als „völlig ausgeschlossen“ halten es aber Bonner Regierungskreise, daß Hamadeh schon in kürze in die USA ausgeliefert wird. Der entsprechende formelle Antrag war am Dienstag in Bonn eingegangen. Der lange Instanzenweg von den Anwälten über die Gerichte bis zur Bundesregierung, erlaube es ihr, „ohne Hektik“ mit den Hizballah Kontakt aufzunehmen. Daraus, daß sich Bundeskanzler Kohl persönlich um den von Kanzleramtsminister Schäuble gebildeten Arbeitsstab aus Regierungsvertretern, der hessischen Landesregierung und der Firma Hoechst kümmere, könnten keine Schlüsse bezüglich der Verhandlungen gezogen werden, meinte allerdings gestern das Bundespresseamt. Über eine Vielzahl von Drähten stehe Bonn in Verbindung mit den Regierungen in Teheran, Damaskus und Tripolis. Alle Möglichkeiten, „Zeit zu gewinnen“, seien in der gestrigen Kabinettssitzung erörtert worden. Fortsetzung Seite 6 Kommentar Seite 4 Die Bildung eines großen Krisenstabes unter Einschluß der SPD, verlautete zusätzlich, habe aber keine weitere Rolle gespielt. CSU–Chef Strauß hatte sich dagegen ausgesprochen, weil dadurch die Verantwortlichkeit verdeckt würde. „Die Bundesregierung muß die richtige Entscheidung treffen“, so Strauß. Kohl hat unterdessen für heute die Fraktionsvorsitzenden aller Parteien mit Ausnahme der Grünen zu einer „Unterrichtung“ eingeladen. Regierungssprecher Ost wies Vermutungen zurück, dies sei die Vorstufe eines großen „nationalen Krisenstabes“. Unklarheit herrschte gestern bis zu Redaktionsschluß über das zweite Beiruter Entführungsopfer, den Siemens–Ingenieur Alfred Schmidt (47). Während nicht näher bezeichnete libanesische Sicherheitskräfte in Ost und Westbeirut bestätigten, daß Schmidt in der Nacht zum Mittwoch von unbekannten Bewaffneten aus seinem Hotelzimmer entführt worden sei, hieß es bei der Siemens– Zentrale in München:“Wir wissen nur, daß er verschwunden ist. Und wir haben die Information, daß er unkorrekt gekleidet und in Begleitung mehrerer Leute das Hotel verlassen haben soll“. Das Zimmer dort soll laut afp in einem unaufgeräumten Zustand gewesen sein, ein „Durcheinander herrschte, welches darauf schließen läßt, daß sich Schmidt zu Wehr gesetzt hatte“. Am Mittwochvormittag meldete sich überdies ein anonymer Anrufer bei einer westlichen Presseagentur und erklärte, ein deutscher Staatsbürger, Alfred Schmidt, sei in der Nähe des Hotels Summerland an der Südausfahrt Beiruts entführt worden. Das Hotel befindet sich im schiitisch kontrollierten Teil der Stadt. Schmidt, ein Techniker für technische Geräte und mit der Ausstattung eines Krankenhauses beschäftigt, ist seit 1971 im Nahen Osten und seit 1984 in Beirut tätig. Den Rat des Hauses Siemens, nach der Entführung Cordes am vergangenen Samstag, Beirut zu verlassen, hat er nach Firmenangaben abgelehnt. „Ich fühle mich absolut sicher“, soll er gesagt haben. Meldungen, wonach Schmidt mit einem Schiff nach Zypern ausgereist ist, wurden von keiner Seite bestätigt. bmm