Prozeßbeginn gegen WAA–Magazin RadiAktiv

■ Anklage wegen Aufrufes zu Straftaten und Verunglimpfung des bayerischen Wappens / Starke Sicherheitsvorkehrungen / Anwälte beantragen Einstellung

Aus Nürnberg Bernd Siegler

Wegen starker Sicherheitsvorkehrungen konnte der Prozeß gegen die Zeitschrift RadiAktiv vor dem Nürnberger Amtsgericht erst mit einer einstündigen Verspätung beginnen. Den drei presserechtlich verantwortlichen An geklagten des Anti–WAA–Magazins wird die Aufforderung zu Straftaten in drei Fällen sowie die Verunglimpfung des bayerischen Staatswappens vorgeworfen. Leibesvisitationen der Besucher durch ein Aufgebot von 50 Polizisten verursachten die Verzögerung. Die einen Tag zuvor erlassene Sicherheitsverfügung begründete Richter Voll mit der Existenz von Flugblättern, die das Gericht als „Vollstrecker der bayerischen Staatsregierung“, bzw. als „Handlanger für die Zerstörer von Presse– und Versammlungsfreiheit“ bezeichnet hätten. Staatsanwalt Breitinger legt den Angeklagten zur Last, durch ihren „Aufruf an alle WAA–Gegner/innen“ dem Magazin geheimgehaltene Informationen aus Polizei, Justiz und Regierungsapparat zugänglich zu machen, zur Verletzung von Dienstgeheimnissen aufgerufen zu haben. Eine Kombination aus einem bereits in der taz veröffentlichten Diskussionsbeitrag zur Perspektive des WAA–Widerstands mit einer Liste der am Bau der WAA beteiligten Firmen und dem Abdruck eines Bekennerschreibens zu einem Brandanschlag wertet die Anklage als Aufruf zu Sachbeschädigungen. Fortsetzung auf Seite 2 Gerade dieser konstruierte Tatbestand macht nach Meinung der Zeitschrift den Fall RadiAktiv zu einem Testlauf für die neuen Sicherheitsgesetze. Nicht mehr der konkrete Aufruf zu strafbaren Handlungen ist zur Anklageerhebung erforderlich, sondern lediglich Äußerungen, die ein Klima schaffen könnten, in dem seinerseits Gedanken strafbaren Inhalts entstehen könnten. Mit dem Titelblatt der Ausgabe 6, das den bayerischen Löwen mit Helm und Knüppel zeigt, soll zusätzlich das Wappen des Freistaats verunglimpft worden sein. Der Freistaat werde damit als „brutaler Polizeistaat“ gesehen, „mit besonders bösartigen Polizeieinsätzen“. Daß drei Tage nach Bekanntwerden der Katastrophe von Tschernobyl die Serie von Ermittlungsverfahren gegen die Zeitschrift begonnen hat, werten die Redakteure in ihrer Prozeßerklärung als Zeichen dafür, daß mit dem „Anwachsen der Bewegung auch die Schrauben gegen die Zeitung engergezogen“ würden. Ihre Verteidiger Becker, Maeffert, Schenk und Ophoff stellten Anträge auf Einstellung des Verfahrens. Das Klima der Kriminalisierung der Anti–AKW–Bewegung durch führende Mitglieder der bayerischen Staatsregierung wirke in diesen Prozeß hinein. Gerade die Sicherheitsverfügung be weise, wie wenig sich das Gericht dieser Vorverurteilung habe entziehen können. Richer Voll wies alle Anträge ab.