Q U E R S P A L T E Senatsflocke

■ Zur Berliner Plastik–Schneeflocke

Vergangene Woche stieg sie auf, die mit heißer Luft gefüllte überdimensionale Schneeflocke aus der Künstlerwerkstatt des Wiener Wichtigtuers Andre Heller und kam doch nicht hoch. Die Alliierten stoppten sie schon in Baumhöhe und erlaubten auch keine mitfahrenden Gäste in der Flockengondel. Die Berliner und die Touristen stehen vor der 400.000 Mark teuren „Mogelpackung“ und wenden sich ab. Nicht mit Grausen, nein, mit unverhohlenem Desinteresse. Doch nicht die Hellersche Aufdringlichkeit läßt die Halbstädter und ihre Gäste den Kopf schütteln. Es sind die rührig–banalen Initiativen des Kultursenators Volker Hassemer. Er scheint einer Heller–Manie verfallen zu sein. Erst der für die Besucher lebensgefährliche, weil völlig desorganisierte „Feuerzauber“, dann ein Irrgarten für die Bundesgartenschau 1986 in der Mauerstadt, der nun auch noch einen Berliner Platz verunstalten soll und jetzt der Mißbrauch eines der erstaunlichsten Kreationen der Natur, einer Schneeflocke - Hassemer und seine Kulturgang brauchen wohl nur den Namen Heller zu hören und schon erstarren sie in Ehrfurcht, was Heller seinerseits ermöglicht, ihnen ohne Gegenwehr in die Steuertaschen zu greifen. Aber reden wir nicht von Geld. Gute wie schlechte Kunst ist teuer, und die Aktion einer Berliner Arbeitsloseninitiative, die in einer „Gegenveranstaltung zu diesem Alptraum“ „Statt heißer Luft - Arbeitsplätze“ fordert, hat schwache Argumente. „Kohle(n) für arme Leute“ kommt nie aus den Kulturetats. Von dort kommt höchstens Geld für arme Künstler. Wo bleibt eigentlich deren Protest gegen Hassemers Wiener Kunst–Schmäh? Raul Gersson