Deutsche wurden von Hizballah–Familie entführt

■ Die Entführung der beiden Deutschen im Libanon unterscheidet sich von früheren Geiselnahmen / Es geht auch um die Wahrung Bonner Interessen im Nahen Osten / Bonner Regierung durch ausbalancierte Hilfestellung in günstiger Verhandlungsposition

Aus Beirut Joseph Katz

Die Entführung von zwei Deutschen im Libanon ist mit der Geiselnahme anderer westlicher Staatsbürger nicht zu vergleichen. Im Falle Cordes und Schmidt geht es um einen Handel zwischen einem Familienverband und einem Staat, mit dem Ziel, möglichst schnell den in Frankfurt verhafteten mutmaßlichen Flugzeugentführer Mohammed Ali Hamadeh gegen die beiden Deutschen auszutauschen. Im Falle der anderen westlichen Geiseln geht es demgegenüber um Verhandlungen zwischen Staaten, die hinter den Entführern stehen oder zu ihnen Beziehungen unterhalten und westlichen Regierungen, deren Politik im Nahen Osten auf Ablehnung stößt. Dennoch hat die erste Entführung deutscher Bürger im Libanon eine neue Situation geschaffen, in der die Bundesregierung leicht ihre privilegierte Stellung in der Region verlieren könnte. Der Hamadeh–Clan im Libanon befindet sich derzeit im Aufwind. Der Bruder des Festgenomme nen, Abdel Hadi, ist ein einflußreiches Mitglied der radikalen Schiitenpartei Hizballah. Er war zuletzt in dem südlibanesischen Dorf Magdoushi stationiert. Seit dem 13. Januar, dem Tag der Festnahme Ali Hamadehs also, hat man nichts mehr von ihm gehört oder gesehen. Die anderen „Brüder“ Hamadehs von Hizballah sind angetreten, um einem der Ihren zu Hilfe zu eilen. Viele von ihnen sind an die Praxis von Entführungen gewöhnt und verfügen über zahlreiche Komplizen. Die Bonner Regierung scheint entschlossen zu sein, den Verhandlungsweg einzuschlagen, schon um zu verhindern, daß sie, wie andere westliche Regierungen, im Geisel–Sumpf versinkt. Beobachter in Beirut gehen davon aus, daß streng geheimgehaltene Gespräche zwischen Entführern und deutschen Behördenvertretern im Gange sind. Die jüngste Entführung von vier ausländischen Lehrern, darunter drei US– Bürger, soll da zusätzlichen Druck machen. Im Grunde stellt sich die Frage, ob es der Regierung in Bonn gelingen wird, dieses Dilemma zugunsten ihrer Bürger zu lösen und gleichzeitig ihre privilegierte Rolle in der arabischen Welt und gegenüber dem Iran zu retten. Im Libanon wußte sich die Bundesregierung aus einem Konflikt herauszuhalten, der internationale Dimensionen hat. Die Hilfe, die die Regierung und deutsche Institutionen wie die Konrad–Adenauer–Stiftung den politischen und kulturellen Einrichtungen der Christen zukommen lassen, wird ausbalanciert durch die humanitäre Hilfe, die an die schiitische Gemeinschaft fließen. Falls die Bundesregierung Hamadeh ausliefern sollte, wird sie sich dem Vorwurf, namentlich seitens der pro–iranischen Kräfte, ausgesetzt sehen, dem Druck Washingtons nachgegeben zu haben. Dann werden auch die deutschen Geiseln Teil der allgemeinen Verhandlungsmasse in Sachen Kidnapping werden. Es scheint jedoch, daß das Interesse der Bundesregierung wie der Entführer noch nicht an diesem Punkt angelangt ist. Das Fehlen konkreter Forderungen und die Diskretion der Regierung zeigen, daß beide Seiten die Affaire auf der Ebene eines Tauschgeschäfts belassen wollen. Bei diesem Feilschen kann sich die Bundesregierung auf einen guten Ruf im fundamentalistischen islamischen Milieu stützen. Dies gilt vor allem für die Moslem–Brüder, deren Führer in die BRD geflüchtet sind. Sie kann auch mit der Hilfe von Regierungen rechnen, die Einfluß im Libanon haben - Iran und Syrien. Aus ideologischen Gründen können diese Staaten Druck auf die Entführer ausüben, um ein glückliches Ende der Affaire zu erreichen. Die Bundesrepublik ist der wichtigste Handelspartner der Islamischen Republik Iran. Auch Syrien erhält deutsche Wirtschaftshilfe in beträchtlichem Umfang. Selbst der Prozeß gegen Ahmad Hasi wegen eines Anschlags in Berlin, bei dem Syrien den Sprengstoff geliefert haben soll, hat keine Schatten auf die Beziehungen zwischen Bonn und Damaskus geworfen. Wenn jedoch die Entführungsaffaire nicht bald zur Zufriedenheit des religiösen Familien–Clans gelöst wird, könnten die Staaten, die bisher in den Genuß deutscher Gelder kamen, eine Wende vollziehen. Sie würden dann zwar weiter von der Wirtschaftshilfe profitieren, jedoch zugleich die Sache „ihrer Leute“ verteidigen, während Cordes und Schmidt zusammen mit den anderen siebzehn ausländischen Geiseln in den Kerkern der „pro–iranischen Revolutionäre“ schmoren. Siehe auch Seite 10