„SPD–Wackelkurs“ in Hessen bestraft

■ Im rot–grünen Bundesland sind die Grünen eindeutige Wahlgewinner / Fischer: „Die Zeit der Taktik geht zu Ende“ / Teilweise schmerzliche Verluste für die SPD / FDP nur viertstärkste Kraft

Von Klaus–Peter Klingelschmitt

Frankfurt (taz) - Im Frankfurter Stadtteil Bockenheim avancierten die Grünen in mehreren Wahlbezirken zur stärksten Partei. Ähnlich sah es in den „Szene“–Stadtvierteln Bornheim und Nordend aus. In der Mainmetropole gaben insgesamt 46.491 Menschen ihre Stimme den Grünen, die damit 13,9 83: 8,9 Fast so gut wie in Frankfurt schnitten die Grünen auch landesweit ab. Denn mit 9,4 Zweitstimmen für den kleinen Koalitionspartner in Wiesbaden haben die Grünen die FDP, bislang drittstärkste Kraft in Hessen, hin ter sich lassen können (9,1 Dagegen hat der große Koalitionspartner SPD - im Gegensatz zum Bundestrend - in Hessen etwa gleichstark „abgebaut“ wie die hessische CDU, die nur noch auf 41,3 44,3 Sozialdemokraten im Vergleich mit der letzten Bundestagswahl rund 3 Vergleich mit der Landtagswahl gar 7,5 . Für den hessischen Minister für Umwelt und Energie, Joschka Fischer, muß sich die SPD jetzt entscheiden, ob sie in den Sachfragen - zusammen mit den Grünen - tatsächlich eine neue Politik durchzusetzen will oder nicht. Fi scher: „Die Zeit der Taktik geht zu Ende.“ Insbesondere in der Ausstiegsfrage sei die SPD jetzt gefordert, meinte der Minister im Gespräch mit der taz. Der Fraktionsvorsitzende der Grünen im hessischen Landtag, Jochen Vielhauer, führt die Verluste der SPD denn auch vornehmlich auf deren „Atom–Wackelkurs“ zurück. Daß gerade die Frauen der SPD verstärkt den Rücken zukehrten, hat für die Frauen–Staatssekretärin der Grünen, Marita Haibach, viel mit der mangelnden Glaubwürdigkeit der SPD gerade in Frauenfragen zu tun: „Unser Wahlerfolg bei den Frauen ist ein Zeichen dafür, daß die Frauen begriffen haben, daß ihnen bei den Grünen nicht nur die Hälfte des Himmels geboten wird, sondern daß sie bei uns die Möglichkeit haben, Politik zu gestalten.“ In einem Rundfunkinterview erklärte Ministerpräsident Holger Börner am Montag, daß die Grünen wüßten, daß die SPD eine Partei sei, die sich nicht von einem Wahlergebnis in ihren Grundsätzen korrigieren lasse. Der Widerstand gegen die Fortsetzung der Bonner Atompolitik könne von den Grünen nur mit der SPD verwirklicht werden. Das Gesamtergebnis der Bundestagswahl bezeichnete Börner als für die Sozialdemokraten „völlig unbefriedigend“. Doch jetzt sei der eine Wahlkampf im Bund zu Ende, „und der hessische hat jetzt quasi begonnen“.