Kohl: „Son Wahlmontag kommt wieder“

■ CDU zieht Bilanz / Nichtwähler für Niederlage mitverantwortlich / Agrarpolitik schwer korrigierbar

Aus Bonn Oliver Tolmein

Mit einer Leichenbittermiene und wie schon am Wahlabend deutlich verspätet, versuchte Kanzler Kohl gestern nachmittag der Presse in Bonn das schlechte Abschneiden seiner Partei zu erklären. Zuvor hatten sich mehrere Stunden lang das CDU–Präsidium und der Parteivorstand beraten. Kohls Erklärung reichte über seine und Geißlers Statements am Wahlabend nur wenig hinaus. „Zur Stunde“ so der Kanzler, „gibt es ebnen erst Hinweise auf die Ursachen des Ergebnisses, aber noch keine Feinanalyse“. Allerdings sei klar, daß die Nichtwähler den Wahlmißerfolg zu einem erheblichen Teil verursacht haben. Ausdrücklich erwähnte Kohl noch die unverhältnismäßig starken Stimm–Einbußen im ländlichen Bereich. Es sei nicht so einfach, die verfehlte EG–Agrarpolitik innerhalb kurzer Zeit zu korrigieren. Die CDU müsse sich, so Kohl weiter, auch fragen, ob sie im politischen Alltag allen gesellschaftlichen Gruppen gegenüber offen genug sei. Ungeklärt sei, wie sich die Erstwähler verhalten hätten. Insbesondere erwähnte er die Gruppe der jüngeren Frauen. Familienpolitik sei, das müsse stärker herausgestrichen werden, ein wesentlicher Bestandteil der CDU–Politik. Geschadet habe seiner Partei, führte Kohl aus, die „Rhein–Diskussion“. Zwar wisse jeder Eingeweihte, daß die Koali tion die erste Regierung sei, die im Umweltschutz entscheidende Schritte gegangen sei, die Vermittlung nach außen sei aber nicht gut gelungen. Trotzdem sieht der Kanzler eine „ausreichend gute Basis für die Bewältigung der schwierigen Aufgaben der nächsten Jahre“ gegeben. Er und seine Partei zeigten keine Resignation, sondern blickten zuversichtlich nach vorne in die Zukunft. Mit Blick auf die Koalitionsverhandlungen mit der FDP gab sich Kohl ebenfalls optimistisch: „Wissen Sie, so ein Wahlmontag kommt ja immer wieder. Ich selbst habe zahllose solcher Tage erlebt“. Mit Blick auf künftige Wahlen werde die FDP sich deswegen an das Motto halten: „Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem anderen zu“. Erste Reaktionen des FDP–Vorsitzenden Bangemann bestätigten auch, daß die Partei keine „unzumutbaren Forderungen“ stellen werde. Die Regierungsbildung werde auf jeden Fall zügig, aber ohne Zeitdruck angegangen - es sei aber noch verfrüht, über Personalpolitik zu reden. Auf den von Kohl als eine Ursache für das schlechte Abschneiden der Unionsparteien gewerteten Konflikt zwischen CSU und FDP angesprochen gab sich der Kanzler schweigsam und erklärte, daß man künftig im Kabinett „sehr detaillierte Absprachen“ zu bestimmten Sachthemen treffen müsse.