Blockade–Verurteilung bestätigt

■ Berufungsgericht Ellwangen verurteilt im sogenannten Mutlangen–Prozeß Sitzdemonstrant wegen „Nötigung“ / Entscheidung fiel nicht einstimmig / „Verstoß gegen demokratische Spielregeln“

Von Werner Jany

Ellwangen (taz) - Der Berg hat gekreißt und eine Maus geboren. Ein halbes Jahr lang hat man beim Landgericht Ellwangen das Urteil der Karlsruher Verfassungsrichter abgewartet und ausgewertet. Unter einem neuen Vorsitzenden sindin dieser Woche die Berufungsprozesse zu den Mutlangen– Urteilen des Amtsgerichts Schwäbisch Gmünd wieder aufgenommen worden. Hoffnungen, die viele in das Gericht gesetzt hatten, platzten wie Seifenblasen. Das Gericht verurteilte jetzt einen arbeitslosen Lehrer, der Ende 1983 amerikanische LKWs blockiert hatte, wegen Nötigung in vier Fällen. Dem Schuldspruch war eine lange Debatte zwischen dem Vorsitzenden Richter Friedrichs und seinen beiden Schöffen vorausgegangen. Erst nach zweistündigen Beratungen fiel der - offensichtlich nicht einstimmig gefaßte - Schuldspruch. Finanziell gesehen hat sich die Berufung für den Angeklagten gelohnt. Die ursprüngliche Strafe wurde von 1950 auf 700 DM gesenkt. Eine Konzession, zu der sich das Gericht „genötigt“ sah, nachdem es dem Angeklagten zubilligte, mit seiner „Gewaltanwendung“ an der untersten Grenze geblieben zu sein. „Die Tat war rechtswidrig und deshalb verwerflich“ - auf diese einfache Gleichung brachte der Staatsanwalt sein Plädoyer. Kaum schwerer machte es sich die Kammer bei der Urteilsbegründung: „Da jeder das Recht hat, frei seine Meinung zu äußern“, sei eine Sitzblockade ein „zu starker Verstoß“ gegen die demokratischen Spielregeln einer pluralistischen Gesellschaftsordnung. Die „Endziele“ der Demonstration seien nicht relevant, belehrte Friedrichs den Angeklagten, der auf die Bedrohungssituation hinwies, die aufgrund der Stationierung und der aggressiven Politik der USA gegeben sei und daraus ein Recht auf Notwehr ableitete. Entsprechende Beweisanträge lehnte das Gericht ab. Über die militärische Lage und Strategie gingen „die Meinungen auseinander“, und Meinungen habe das Gericht nicht zu bewerten. „Dem Friedrichs hat der Mut gefehlt“, kommentierte ein prozeßbeobachtender Rechtsanwalt. Gegen das Urteil sollen Rechtsmittel eingelegt werden.