Rechtsradikale verbuchen Stimmengewinne

■ Bis auf NPD kleine Parteien unbedeutend / Nationaldemokraten kassieren 1,4 Millionen DM Wahlkampfkostenerstattung / Achtungserfolg für Herbert Gruhl / MLPD hat „durchschlagende Beachtlichkeit“ entdeckt / Auch Frauenpartei sieht „ermutigenden Erfolg“

von Klaus–Peter Klingelschmitt

Frankfurt (taz) - „Nazi schlägt MLPD(–Helfer)“ - so lautete die Überschrift einer Pressemitteilung der „Marxistisch–Leninistischen Partei Deutschlands“(MLPD) knapp sechs Wochen vor der Bundestagswahl. Daß diese „Headline“ aus der Feder der MLPD–Ortsgruppenleiterin Marianne Müller grob den Ausgang der Bundestagswahlen nicht nur für NPD und MLPD vorweggenommen hatte, konnte die 40jährige Kommunistin damals natürlich nicht wissen. Doch in der Tat hat die NPD bei den sogenannten kleinen Parteien sämtliche Konkurrenten aller ideologischen Lager um Längen geschlagen. Exakt 226.298 Wählerinnen und Wähler - das sind 0,6 für die alten und neuen Faschisten, die damit in den Genuß von 1,4 Millionen DM Wahlkampfkostenerstattung kommen. Das genau ärgert den Exponenten der „Ökologisch–Demokratischen Partei“ (ÖDP), Herbert Gruhl, am meisten, denn Gruhl und seine „christlichen Ökologen“ waren am dichtesten an der sogenannten „Geldhürde“ dran, die vom Gesetzgeber auf die 0,5 gelegt wurde. Daß nur 108.808 Bürger/innen(0,3 ihre Stimme gaben, führt Gruhl auf die Angst der Wähler vor der 5 baut den kleinen Parteien gleich eine dreifache Hürde auf. Wir müssen die 5 wir müssen den Wähler davon überzeugen, daß er keine verlorene Stimme abgibt, und wir müssen mit winzigen finanziellen Mitteln auskommen.“ Rund 100.000 DM hat die ÖDP in den Wahlkampf investiert und in den Sand gesetzt. Gruhls „Hochburg“ war Freiburg; dort holte die ÖDP 1,6 das bayerische Landesergebnis der konservativen Ökologen kann sich sehen lassen: Mit 0,6 die ÖPD dort gar in die „Medaillenränge“ vorgestoßen. Im südba dischen Freiburg scheinen die Uhren ohnehin anders zu gehen als in der übrigen Republik, denn auch die MLPD erklärte Freiburg zur „Hochburg“. Satte 252 Wähler/ innen votierten in der Breisgau– Stadt für die „richtigen Kommunisten“, wie Klaus Vowe, Pressesprecher der MLPD, stolz bekanntgab. Mit bundesweit 13.821 Zweitstimmen (0,0 MLPD allerdings nicht die „durchschlagende Beachtlichkeit gefunden, die sich das ZK gewünscht hätte“, schränkte Vowe ein. Das habe im wesentlichen an der „Verfälschung“ der MLPD– Argumentation durch die Medien gelegen; auch Fälle von „Zensur“ seien bekannt geworden. So weigere sich die „sozialdemokratische Presse“ nach wie vor standhaft, die MLPD–Wahlergebnisse zu veröffentlichen. Dennoch habe die MLPD zwei von drei Wahlzielen „voll erreicht“. Vowe: „Wir sind bundesweit bekanntgeworden und wir haben unsere Organisation stärken können.“ Diese „Stärkung der Organisation“ proklamiert auch Traude Elise Kellner zwei Tage nach der Bundestagswahl für ihre „Frauenpartei“. Die hessische Landesvorsitzende kündigte an, daß die „Frauenpartei“ - „nach diesem ermutigenden Erfolg“ - im Herbst auch bei den Landtagswahlen in Hessen anzutreten gedenke. Doch die letzte Entscheidung darüber treffe der nächste Landesparteitag. Tatsächlich wurde die „Frauenpartei“ - nach NPD und ÖDP - die drittstärkste Kraft bei den Kleinen. Bundesweit kamen die Frauen auf 0,2 Als „Hochburg“ deutete Frau Kellner die hessische Landeshauptstadt Wiesbaden aus, den einzigen reinen Frauenwahlkreis der Republik. Dort votierten 319 Frauen für die „Frauenpartei“. Der Wahlsieg der NPD bei den Kleinen hat die ultrarechten Parteien hart an den Rand der Nichtexistenz gedrückt. Ganze 403 Wähler aus dem Neonazi–Lager gaben bundesweit ihre Stimme der FAP, die im Vorfeld der Wahl mit rassistischen und volksverhetzenden Wahlspots die Ausländerhasser an sich binden wollte. Nicht so schlecht schnitten die sogenannten „Mündigen Bürger“ ab, deren faschistoiden Parolen immerhin noch 24.623 „Mündige“ folgten. Daß die ehemalige EAP auch unter dem neuen Namen „die Patrioten“ nur auf 0,1 kam, kann - angesichts des NPD– Erfolgs - auch nicht als Überraschung gewertet werden. Der hessische NPD–Landesvorsitzende Gutjahr jedenfalls ist „zufrieden“, denn es gehe „weiter aufwärts mit den Nationaldemokraten“. Immer mehr Menschen würden das „Parteienkartell in Bonn, zu dem auch die Grünen gehören“, ablehnen. Der Kampf der NPD gelte jetzt vornehmlich den „kapitalistischen Tendenzen“ in der „Demokratur“!?