Weg in die Sackgasse

Düsseldorf (taz) - „Die NRW– SPD kümmert sich um ihr Land. Hier werden wir uns formieren und eine richtig starke Position aufbauen. Danach sehen wir weiter.“ So kommentierte ein Düsseldorfer Spitzengenosse am Montag Raus Verzicht auf den Parteivorsitz. Zwar wolle die NRW–SPD auch personell in Bonn zuküntig mitmischen - die Besetzung der freiwerdenden Bundesgeschäftsführer–Position ist noch längst nicht abgeschrieben - aber insgesamt wähnt man die Bonner SPD nach britischem Vorbild auf einem Kurs „in die Isolation“. Mit seinem schnellen Verzicht will der „Zauderer“ Rau verhindern, daß diese erwartete Entwicklung auch auf NRW und auf seine Person durchschlägt. Die Überraschung ist perfekt und beendet abrupt jenes Gezerre um die Person Rau, das in den aktuellen Wahl–Ausgaben von Spiegel und Stern gerade anhob und in den nächsten Monaten wöchentliche Fortsetzungsstorys versprach. So schreibt der Spiegel, vermeintlich gut informiert, Rau habe sich nach Bekanntwerden des NRW–Wahlergebnissesentschlossen, seinen Anspruch auf die Brandt–Nachfolge anzumelden, und verbreitete zugleich, was der jetzige Vorsitzende öffentlich nicht zu verkünden wagte: „Es gäbe keine bessere Lösung für das Saarland“, so zitiert der Spiegel Brandt, „als wenn dessen Ministerpräsident Vorsitzender der SPD wäre“. Solch sorgsam plazierten Giftpfeilen, die schon während des gesamten Wahlkampfes von Bonn aus über Hamburg Düsseldorf zu erreichen pflegten, wurde nun das Ziel genommen. Der Verzicht von Rau, so hofft man in Düsseldorf, werde den Ministerpräsidenten davor bewahren, in den Strudel der bundesweit erwarteten rot– grün Diskussion zu geraten. In NRW ist man vom eigenen Kurs überzeugt und sieht die Chance, auch 1990 wieder die absolute Mehrheit im Landtag zu erreichen. „Wenn wir in NRW das Ziel der absoluten Mehrheit jemals aufgeben“, so heißt es in der Rau– Umgebung, „wird die CDU regieren. Dann werden die schwankenden CDU–Wähler, die an klaren Verhältnissen interessiert sind und bei der Landtagswahl für uns votiert haben, sich von uns abwenden und wie jetzt bei der Bundes tagswahl die CDU wählen“.Im Prinzip soll in NRW die Strategie des Jahres 1985 beibehalten werden. Auch personell wird für Kontinuität gesorgt. Der damalige Wahlkampfleiter Bodo Hombach, das gilt als ausgemacht, soll auch die nächste Wahlschlacht dirigieren. Die Linie Lafontaine, so die vorherrschende Einschätzung, bedeute eine Einrichtung im Ghetto, werde die CDU nicht schwächen und stelle allenfalls eine Gefährdung für die Grünen dar. Außerhalb von NRW, darauf verweisen die Genossen in Düsseldof kühl, habe die SPD etwa 34 werde das Lafontaine–Konzept nicht viel ändern können, hieß es. Offen zu sagen, traut sich das im Moment allerdings kaum jemand. Nur der dem rechten Flügel der NRW–Sozialdemokraten zuzurechnende neue Bundestagsabgeordnete Horst Niggemeier hielt mit seiner Einschätzung gegenüber der taz nicht hinter dem Berg. Niggemeier, zugleich Pressesprecher der Industriegewerkschaft Bergbau und Energie und Bürgermeister von Datteln, wörtlich: „Wenn die SPD den Ratschlägen von Oskar Lafontaine folgen würde, dann verlöre sie ihren Charakter als wählbare soziale Volkspartei“. Eine „Öffnung“ gegenüber den Grünen habe, so Niggemeier, in der breiten Mitglied– und Wählerschaft der SPD „überhaupt keine Chance“. Auf Parteitagen sähe das womöglich anders aus, aber dann müsse man fragen, ob die Delegierten den politischen Willen der Parteibasis und Wählerschaft wirklich repräsentierten. Raus Verzicht bezeichnete der frisch gewählte Bundestagsabgeordnete, der in zentralen Fragen der Energie– und Friedenspolitik auch auf Parteitagen in NRW zur Minderheit gehört, „als großen Verlust für die deutschen Sozialdemokraten“. Die SPD müsse nun „höllisch aufpassen, daß sie keine Nachläuferpartei der Grünen“ werde. Niggemeier glaubt, daß seine Politikvorstellungen auch am Sonntag bestärkt worden seien. So habe er in seinem Wahlkreis in Datteln bei den Erststimmen um 6,4 aber um 6,2 schauen sie sich mal zum Vergleich“, so Niggemeier zur taz, „das Ergebnis von Heidemarie Wieczorek–Zeul in Wiesbaden an“. Minus 5,7 habe die rot–grüne Heide erreicht und die CDU habe sogar um 0,5 % zugelegt. Der Kurs sei „schlichtweg verkehrt“ und „verhängnisvoll“. Die Sozis in Düsseldorf sehen das ähnlich, nur glauben sie, an der Richtung nichts mehr ändern zu können. „Irgendwann“, so hieß es, wenn der Weg sich als Sackgasse erwiesen habe, werde nach einer neuen Führung verlangt. „Darauf müssen wir vorbereitet sein“. Jakob Sonnenschein