Mit Metallschrauben gegen „Arbeitervertreter“

■ In Genua müpft die Basis gegen ihre „Vertreter“ auf / Hafenarbeiter sehen sich von ihren Vertretern hintergangen „Gewerkschaften und Kommunisten zu Paaren treiben“ / Gewerkschaftsbosse sehen Basis von Autonomen unterwandert

Aus Genua Werner Raith

Mit dem berühmten Bildhauer hat Giacomo Manzu nur den Namen gemeinsam - „und daß wir beide mit dem Hammer arbeiten: er allerdings mit einem kleinen, ich mit dem großen“. Giacomo ist Hafenarbeiter in Genua und klopft Containern nach der Leerung die Reste von den Wänden. Derzeit steht Giacomo allerdings in Verdacht, harte Gegenstände nicht nur zum Wändeklopfen, sondern auch zum Werfen benutzt zu haben - mit einigen Dutzend Kollegen soll er Tassen, große Metallschrauben, Zangen und sogar einen massiven Aschenbecher in Richtung Diskussionspodium geworfen haben. Dort saßen bzw. standen seine „Vertreterlinge“ - wie er sie mit hochgezogener Oberlippe nennt, und „wollten uns weismachen, daß sie alles nur für uns getan haben“. Der Saal der „Ente nazionale assistenza lavoratori“ (ENAL - ein Bildungswerk der Gewerkschaften) in Genua hat schon stürmische Versammlungen erlebt. „Aber diesmal“, so Danilo Oliva von der Abteilung „Transport“ der kommunistischen Gewerkschaft CGIL, „diesmal lag Revolution in der Luft“ - der Arbeiterführer meint das nicht etwa anerkennend, sondern erschauert im mer noch, als er erzählt, wie sie ihm das Mikrophon aus der Hand gerissen, ihn vom Podium gedrängt, beschimpft und mit der Drohung, ihm die Hosen auszuziehen, weggeschubst haben. Giovanni Peri, Provinzsekretär der sozialistischen Gewerkschaft UIL, bekam den erwähnten Aschenbecher ans Kinn, nach anderer Version an die Brust, möglicherweise traf er ihn aber auch nicht und erschreckte ihn nur. Jedenfalls sind seit der Versammlung beide verschwunden, der Aschenbecher und der Sekretär. Geblieben sind die Arbeiter auf dem Hafengelände, die ständig neue Versammlungen abhalten, geblieben ist auch das Plakat eines bis dahin unbekannten „Comitato di lotta dei lavoratori portuali“ (Komitee für den Kampf der Hafenarbeiter): „Die arbeiterfeindlichen Dekrete des Hafen–Konsortiums sind nicht zurückgenommen worden. Niemand kann uns die in Rom ausgemauschelten Vereinbarungen aufdrücken.“ Stein des Anstoßes: Nach monatelangen Verhandlungen hatten sich zuerst die christliche und sozialistische, dann - gegen ihr Wort - auch die kommunistische Gewerkschaft mit einer „Neuordnung“ der Hafen–Geschäfte einverstanden erklärt. Dieser „Plan DAlessandro“ (benannt nach dem Generalmanager des derzeitigen Konsortiums) sieht nach Arbeitgeber–Version eine „Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der Transport–, Verlade– und Verschiffungsfirmen“ vor, soll nach Ansicht des Hafenarbeiter–Sprechers Paride Batini aber „lediglich jegliche Macht der Arbeiter zerstören“. Das bisherige Konsortium der Hafen–Arbeitgeber, als Einheit konstituiert, stand einer ebenso einheitlichen Vertretung aller Arbeiter gegenüber, wo nicht die großen Gewerkschaften, sondern arbeiternahe Hafen–Räte dominierten. Mit denen mußten sich die Firmenbosse über die Zusammenstellung der Arbeitstrupps, über Arbeitszeit und Akkord, über Bezahlung und Sozialleistungen meist hart auseinandersetzen - Grund dafür, so die Arbeitgeber, „daß unser Hafen von einer weltweit führenden Stellung weit zurückgerutscht ist und nicht einmal mehr in Italien vorne liegt“. Tatsächlich hatte Genua 1971 mit 127.000 Container–Schüben mehr Verladungen als Hamburg (mit 122.000), hat es aber inzwischen nur auf 324.000 gebracht - Hamburg liegt derzeit bei 1.160.000. „Das aber ist nicht unsere Schuld“, kommentiert Paride Batini, „die haben das Geschäft bewußt absaufen lassen, um uns kleinzukriegen.“ Fest steht jedenfalls, daß die neue Organisationsform des Hafens alle Macht dem Arbeitgeber– Präsidenten übertragen würde: Er soll laut „Plan“ die Einsatztruppe zusammenstellen und dann mit diesen Kleingruppen einzeln über Lohn, Akkord und Freizeit verhandeln - eine völlige Zersplitterung der Kräfte jeder Arbeiterbewegung. Doch der Zorn der Hafen–Werker gilt gar nicht so sehr dem Ober–Manager der Firmenbosse, sondern der CGIL und der Kommunistischen Partei allgemein: Beide hatten noch vor kurzem getönt: „Dieser Plan wird nur über unsere Leiche verwirklicht.“ „Die Leichen haben nun aber ganz lebendig unterschrieben“, flucht Giacomo Manzu, als er per Spray– Dose zu einer neuen „Widerstands–Versammlung“ einlädt. „Natta, komm her, wir wollen dich ein bißchen im Hafenwasser tunken“, skandieren einige Arbeiter auf dem Reparaturgelände nebenan auf den PCI–Chef, und: „Gewerkschaften und Kommunisten wollen wir zu Paaren treiben.“ Den neuen CGIL–Vorsitzenden Antonio Pizzinato will ein Docker gar „als Torpedo nach Rom zurückschicken“, falls er sich zeigt. Seit den Zeiten der Studentenbewegung, als 1977 der kommunistische Gewerkschaftsboss Luciano Lama vom Uni–Gelände gejagt wurde, hat es keinen so massiven Widerstand mehr gegen „Arbeitervertreter“ gegeben. Die Gescholtenen sind mit dem Aufbau einer Gegenstrategie beschäftigt. Juristisch ist das nicht schwer - das „Dekret DAllessandro“ hat eine Art Gesetzeskraft, ab Mitte der Woche müssen die Arbeiter wohl wieder an ihre Plätze zurück, sonst wird der Hafen unter ein Staatskommissariat gestellt. Wichtiger aber ist die ideologische Seite: „Autonome“ haben nun plötzlich Docker unterwandert (sagt die CGIL), „demokratie– und freiheitsfeindlich“ sollen die Aufmüpfigen sein (so die Arbeitgeber). Da freilich kommen sie bei Giacomo und Kollegen an die Richtigen. „Freiheitsfeindlich?“ fragen sie, „und wer hat vor vier Wochen versucht, den armen Kerl von Bord zu holen, der auf einem iranischen Frachter saß und um politisches Asyl bettelte?“ In der Tat - für den Iraner hatten nur die Hafenarbei ter gestreikt, während Parteien, Gewerkschafter und die freiheitsliebenden Arbeitgeber der Zwangsrückführung des Asylanten schweigend zusahen. CGIL–Vertreter Oliva blickt verwirrt hoch: „War das damals vielleicht schon ein Signal gegen uns, und wir haben es nicht kapiert?“ Möglich ist das schon.