I N T E R V I E W „Die Linke hat sich eingebunkert“

■ Didi und Pepe von der Freiburger Medienwerkstatt über ihren neuesten Film zum Utopieverlust der deutschen Linken

taz: In einer Zeit, in der sich Kollektive in Firmen verwandeln, steigt ihr in den Keller der Linken und fördert die Leichen zutage. Euer neuester Film, „Geisterfahrer“, rechnet mit der parlamentarischen, institutionellen Politik der Linken und Grünen ab... Pepe: Der „Geisterfahrer“ sucht die Auseinandersetzung über politische Handlungs– und Veränderungsperspektiven durch parlamentarische Arbeit. Aber natürlich steht hinter dem Film die These, daß gesellschaftliche Veränderung nur auf außerparlamentarischem Weg möglich ist. Didi: Der Film richtet sich generell an die Linke, die in den letzten zehn bis zwanzig Jahren auch ein Stück weit ihre Utopien verloren hat. Er ruft dazu auf, wieder nach einer Utopie zu suchen. Pepe: Wir wollen eine Diskussion, die verloren gegangen ist, wieder aufnehmen. Vor vier Jahren hat die Linke noch diskutiert, ob sie in die Parlamente gehen will oder nicht, heute ist die Frage nur noch, wie man da reinkommt. Symbolisch haben wir mit dem Raumschiff, in dem man ja einen extraterrestrischen Standpunkt einnimmt, die Weltfremdheit derer angesprochen, die meinen, allein schon die parlamentarische Vertretung stärke eine außerparlamentarische Bewegung. Das ist ein Traum, der vorbei ist. Wir wollten diese Entwicklung nicht einfach undiskutiert zur Kenntnis nehmen. Didi: Fahr mal durch die Städte, und du wirst sehen, wie sich die Linke einbunkert und müde geworden ist, sich mit Problemen auseinanderzusetzen, die sie vor wenigen Jahren noch bewegt hat. Ihr zeigt in eurem Film den Jo Leinen, wie er als BBU–Chef droht, die Republik unregierbar zu machen, und Jahre später dann als Minister vor der Unregierbarkeit der Republik warnt. Ihr schreit Verrat!... Pepe: Jo Leinen ist der extremste Fall. Wenn ein Sprecher einer außerparlamentarischen Bürgerbewegung solche Drohungen gegen die Herrschenden ausspricht und dann im Sauseschritt auf den Ministersessel zusteuert, entlarvt ihn das natürlich. Bei anderen Leuten hat sich eine ähnliche Bewegung schleichend vollzogen, ohne daß ich von Verrat sprechen würde, in der Regel wurde diese Entwicklung ganz schlicht nicht reflektiert... Pepe: Die „Geisterfahrer“ mit all den Moritaten, die da vorkommen, ist eine Kolportage, keine Reportage. Wir wollen nicht Wahrheit vermitteln. Wir wollen eine dokumentarische und fiktionale Ebene so miteinander verbinden, daß wir auch ein abstrakteres Thema filmisch behandeln können. Ein Kernsatz des Films: „Es sind die Katastrophen, die die Welt bedeuten.“ Wer eine Geisterbahn betritt, weiß, das wird alles fürchterlich gruselig, aber am Schluß kommt man ja mit Sicherheit auch wieder raus. Es gibt also Hoffnung. Der parlamentarische Weg, so sagt ihr aber, ist gescheitert. Wie läßt sich die Welt aus den Angeln heben und die Katastrophe, der wir entgegenschlittern, vermeiden? Pepe: Heute sind es die Katastrophen, die die Welt bedeuten. Das heißt, daß sich hier linke Politik im Moment von den Katastrophen her definiert: Tschernobyl, Rheinvergiftung und und und. Wir sagen eben nur: Der Fahrradweg, den man durchgesetzt hat, kann nicht die Notwendigkeit einer gesellschaftlichen Veränderung ersetzen. Didi: Man hat den Gedanken, daß man die Gesellschaft verändern kann, verdammt schnell verdrängt. Die einen sind den langen Marsch gegangen, und viele von denen, die ihn nicht gehen wollten, sind von einer Partei, wie es die Grünen einem vorführen, eben aufgesogen worden. Das Gespräch führte Thomas Schmid