Richter: AKW–Werkschutz bewaffnen

■ Der Verwaltungsgerichtshof Baden–Württemberg verlangt von AKW–Betreibern den Einsatz von bewaffnetem Werkschutz / Mit Angriffen potentieller Gegner von Atomkraftwerken müsse stets gerechnet werden

Mannheim (taz) - „Die Nutzung der Kernenergie ist nach wie vor gesellschaftlich umstritten, so daß aus dem Kreis der potentiellen Gegner auch mit „Störmaßnahmen“ zu rechnnen ist. Denkbare Szenarien reichen vom Diebstahl nuklearen Materials zum Bombenbau bis zur Herbeiführung von Reaktorunfällen wie etwa das Kernschmelzen mit allen Folgen einer nicht mehr beherrschbaren Freisetzung des Nuklearinventars“. Mit dieser Begründung bestätigte der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden–Württemberg die Auflage des baden–württembergischen Wirtschaftsministeriums an die Betreiber des AKW Neckarwestheim, im Falle eines Angriffs auf die Kernenergieanlage „in Erfüllung ihrer vertraglichen Verpflichtungen von der Waffe unter Hinnahme von Leibes– und Lebensgefahren auch Gebrauch zu machen“, wie es in dem Urteil heißt. Hintergrund der gerichtlichen Auseinandersetzung ist die Auflage des Wirtschaftsministeriums, im AKW Neckarwestheim zum erforderlichen Schutz der Anlage einen „mit Faustfeuerwaffen ausreichend bewaffneten Werkschutz aufzustellen oder ein geeignetes Unternehmen mit der Wahrnehmung dieser Aufgabe zu beauftragen“. Aufgabe des bewaffneten Werkschutz soll die Abwehr von Angriffen bis zum Eintreffen der Polizei sein. Nach Überzeugung des Gerichts könne „nicht ausgeschlossen werden, daß Täter mit geeigneten Hilfsmitteln Barrieren zu überwinden und in die für die nukleare Sicherheit empfindlichen Bereiche einzudringen vermögen, bevor die Polizei in Einsatzstärke an Ort und Stelle dagegen etwas unternehmen“ könne. Dagegen hatte die Geschäftleitung des AKW gemeint, daß aufgrund der technischen Sicherungen Saboteuren keinerlei Erfolg beschieden sein könne. Ob man allerdings Rechtsmittel gegen die erste Entscheidung dieser Art einlegen werde, werde derzeit noch geprüft. Der Darmstädter Staatsrechtler Axel Roßnagel kritisierte die Mannheimer Entscheidung. Er sieht im Einsatz bewaffneter Werkschutzleute eine Aufweichung des staatlichen Gewaltmonopols. Bei Mißbrauch der Waffen würden zudem keine besonders strengen Strafvorschriften wie bei Beamten zur Anwendung gelangen. Derzeit beschäftigt jedes Atomkraftwerk bewaffnete Kräfte. Roßnagel: „Da kommt eine kleine Privatarmee für die Atomindustrie zusammen“. Rund 1500 Bewaffnete sind inzwischen in den AKWs der Bundesrepublik beschäftigt. Sie sind dabei auch verpflichtet, im Ernstfall auf ihre Kollegen zu schießen.