Hessen: Koalition „extrem gefährdet“

■ Scharfe Debatte im Landtag um ALKEM zwischen SPD und Grünen / SPD–Bezirksvorstand Hessen–Süd spricht sich gegen ALKEM aus / Verabschiedung des Mediengesetzes „koalitionsunfreundlicher Akt“

Von Klaus–Peter Klingelschmitt

Wiesbaden(taz) - In der von den hessischen Christdemokaten erzwungenen Landtagsdebatte um die Genehmigungssituation in Sachen Plutoniumfabrik ALKEM gab es gestern heftige Auseinandersetzung zwischen den Koalitionsparteien SPD und Grüne. Während Umwelt– und Energieminister Joschka Fischer für die ALKEM erneut die Stillegung der Plutoniumfabrik forderte angesichts der fehlenden Genehmigungen und der Tatsache, daß nach dem Willen des Wirtschaftsministers die ALKEM weiterhin auf dem bisherigen Niveau plutoniumhaltige Brennelemente herstellen dürfe, hielt eben dieser Wirtschaftsminister Ulrich Steger (SPD) an seinen angekündigten Auflagen fest. Steger bezog sich ausdrücklich auf die Regierungserklärung Holger Börners vom November 86, in der der Mi nisterpräsident ausgeführt hatte, „daß die Landesregierung nicht die politische Absicht verfolgt, die Hanauer Betriebe zu schließen“. Am Vorabend hatte bereits der SPD–Chefdenker Paul Leo Giani, Leiter der Staatskanzlei, für Aufregung bei den Grünen gesorgt. Giani gab der Hoffnung Ausdruck, daß Bundesumweltminister Walter Wallmann(CDU) demnächst die Landesregierung ohnehin anweisen werde, den ALKEM–Antrag in der vorliegenden Form zu genehmigen. Dann seien die Koalitionsquerelen ohnehin vom Tisch. Hessen werde danach - wie in den Koalitionsvereinbarungen festgeschrieben - vor dem Bundesverfassungsgericht gegen diese Anweisung klagen. Dieser „Einschätzung“ hielt Umweltminister Fischer vor dem Landtag erneut entgegen, daß nach den von Steger angekündigten Genehmigungsauflagen der Gang nach Karlsruhe nicht mehr erfolgen könne, da Steger mit seiner modifizierten Genehmigung die von der Bundesregierung verfolgte Plutonium–Strategie nicht verhindere, sondern über den Umweg der Produktion von Mischoxydbrennelementen den Plutoniumkreislauf aufrecht erhalte. Der Umweltminister der Grünen erklärte abschließend, daß seine Fraktion an der Fortsetzung der rot–grünen Koalition in höchstem Maße interessiert sei. Sollte Steger jedoch der ALKEM auf der von ihm angekündigten Basis eine Produktionsgenehmigung erteilen, seien die Grundlagen für diese Koalition „extrem gefährdet“. Bei der SPD scheint die ALKEM–Front allerdings zu bröckeln. Wie die taz in Erfahrung bringen konnte, hat der SPD–Bezirksvorstand Hessen–Süd, dem die Minister Görlach und Clauss angehören, bereits am Montag eine Beschlußvorlage für den kommenden Bezirksparteitag verabschiedet, der die Landesregierung auffordert, die Plutoniumfabrik ALKEM nicht zu genehmigen und die Herstellung plutoniumhaltiger Brennelemente umgehend zu verbieten. Vor der gestrigen ALKEM–Debatte hatte am Mittwoch abend bereits der von SPD, CDU und FDP - gegen die Stimmen der Grünen - in zweiter Lesung verabschiedete Gesetzentwurf zur Weiterverbreitung von Satellitenprogrammen in Hessen für Verstimmung bei den Grünen gesorgt. Pressesprecher Weist nannte die Abstimmung einen „koalitionsunfreundlichen Akt“. Innerhalb der Landtagsgruppe wurde darauf verwiesen, daß es zu Koalitionsbeginn klare Absprachen gegeben habe, wonach im Landtag nicht mit wechselnden Mehrheiten abgestimmt werden dürfe: „Hätten wir das gemacht, der Börner wäre uns an die Gurgel gesprungen.“