Gutachten zur Zukunft der deutschen Raumfahrt

■ Industrieanlagen–Betriebsgesellschaft rät Forschungsminister Riesenhuber über transatlantische und europäische Kooperation hinaus zu einem „nationalen Konzept“ / Es fehle vor allem Geld / Bayern will Oberpfaffenhofen als Standort und bietet 42 Millionen

Von Imma Harms

Berlin (taz) - Die bundesdeutsche Raumfahrtpolitik sollte ein stabilisierendes drittes Bein bekommen, zu diesem Ergebnis kommt die Industrieanlagen–Betriebsgesellschaft, die im Auftrag des Forschungsministeriums ein jetzt vorgelegtes Gutachten zu den Perspektiven der deutschen Raumfahrtpolitik erstellt hat. Neben der transatlantischen und der europäsichen Kooperation fehle ein nationales Konzept. Tatsächlich geriet die deutsche Raumfahrt in den vergangenen Jahren durch das Fehlen einer eigenen, langfristig angelegten Planung zwischen die Mühlsteine der Erwartungen ihrer, von den Franzosen dominierten ESA–Partner einerseits und der an Ultimaten grenzenden Forderungen aus den USA andererseits. Mit den europäischen Partnern will die Bundesrepbulik die leistungsstarke Ariane 5 (Kostenanteil 1,7 Milliarden Mark) bauen, für die geplante US–Raumstation das Modul Columbus (2,7 Milliarden Mark). Die Franzosen drängen darüber hinaus auf eine Beteiligung am Bau des europäischen „Hermes“– Raumgleiters. Die Bundesrepbulik solle 30 Prozent der bisher veranschlagten Kosten von etwa vier Milliarden Mark übernehmen. 1985 versuchte die Bundesregierung, das Hermes–Projekt noch auf die lange Bank zu schieben: „Mit der Verwirklichung dieser beiden Programme (Ariane 5 und Colubus) ist ...die Möglichkeit der Bundesregierung, zivile Raumfahrtvorhaben vergleichbarer Größenordnung in Angriff zu nehmen, erschöpft“. Doch Ende 86 betonte Forschungsminister Riesenhuber plötzlich, daß nur durch die Beteiligung an Hermes die langfristige Selbständigkeit Europas in Forschung und Technik gesichert sei. Hintergrund dieser Umbesinnung ist nicht nur das Challenger– Unglück im Januar 86, sondern sind auch die denkbar schlechten Erfahrungen in der deutsch–amerikanischen Kooperation. Die US–Behörden wollen die deutsche Nutzung der noch gar nicht gebauten Raumstation auf 15 Prozent drücken und sich außerdem eine Nutzung für militärische (SDI– )Ziele vorbehalten. Das bringt die deutsche Seite in Widerspruch zu der vertraglich auf rein zivile Ziele festgelegten Nutzung von Columbus. Die Verhandlungen über diesen Punkt ziehen sich schon über Monate und sollen Ende Februar fortgesetzt werden. Aber auch das „Hermes“–Projekt kann die deutschen Weltraumpolitiker nicht glücklich machen. Fachleute schätzen, daß es bei seiner Fertigstellung in den 90er Jahren bereits veraltet sein wird. Die Experten liebäugeln daher schon jetzt mit einem zweistufigen Nachfolgemodell, das auf den Namen „Sänger“ getauft werden soll. Die Industrie jedoch möchte zunächst mal das Hermes–Geschäft abwickeln. MBB, Dornier, ANT und AEG haben auf bundesdeutscher Seite bereits Aufträge, über deren Stornierung sie sehr verärgert waren. Doch Geld ist weder für „Hermes“ noch für „Sänger“ da. Die Studie der Industrieanlagen–Gesellschaft nimmt zu der finanziellen Kollision der unterschiedlichen Pläne keine Stellung, fordert aber, daß der augenblickliche Weltraumetat von etwa einer halben Million DM verdoppelt werden müsse. Außerdem sollte entweder ein eigenes Ministerium für Luft– und Raumfahrt oder eine nationale Raumfahrtagentur geschaffen werden. Als Standort empfiehlt sich Oberpfaffenhofen in Bayern. 42 Millionen Mark will die bayrische Landesregierung für ein europäisches Betriebszentrum für die bemannte Raumfahrt bereitstellen, eine nationale Agentur fände hier die passende Infrastruktur. Bayerns Wirtschaftsminister Jaumann sieht den kommenden Entscheidungen zuversichtlich entgegen: „Am Gelde solls nicht fehlen!“