Hamburgs SPD zwischen CDU und GAL

■ Nach der Bundestagswahl ist das Thema Neuwahlen für die Hamburger SPD endgültig vom Tisch / Landesvorstand plädiert für „ernsthafte Gespräche“ mit CDU und GAL / Klaus von Dohnanyis Alleingang Richtung CDU / Ex–Bürgermeister Klose zieht Notbremse und droht den Hamburger Genossen mit der Bundespartei

Aus Hamburg Tom Janssen

Landauf, landab trösteten sich die Sozialdemokraten am Bundestagswahlabend mit „Noch einmal davongekommen“. Nicht so die einstige „rote Hochburg“ Hamburg. Hier fuhren die Sozialdemokraten immer überdurchschnittlich Wählerstimmen ein, und die „Hamburger Mafia“ von Helmut Schmidt, Herbert Wehner bis zu Hans Apel bestimmte jahrzehntelang die Richtlinien sozialdemokratischer Bundespolitik mit. Doch während sich die Bundespartei am Sonntag abend mit 1,2% Verlust stabilisieren konnte, zeigte das Minusbarometer in Hamburg auf 6,2 Die Hamburger Genossen waren gleich doppelt geschockt. Sechs Wochen zuvor nämlich quittierten die Wähler am 9. November vier Jahre absoluter sozialdemokratischer Mehrheit unter Bürgermeister Klaus von Dohnanyi. Zehn Prozent verloren die Elb–Sozis an jenem grauen Novembertag, die CDU wurde knapp stärkste Fraktion und die von Dohnanyi verteufelte GAL schaffte es knapp über zehn Prozent. Die neuen Hamburger Verhältnisse waren geboren. Statt Taktiererei - Besitzstandswahrung Die geschockten Verlierer verstanden die Welt nicht mehr. Seit Kriegsende - kurz unterbrochen von einem vierjährigen Intermezzo des sogenannten „Bürgerblocks“ - verwalteten sie die Stadt wie einen gigantischen Selbstbedienungsladen. Neben unbezweifelbaren Erfolgen wurde Hamburg auch zum Begriff „roter Filz“. Doch schnell trösteten sich die Funktionäre mit einer Taktik, die schon 1982 zum Erfolg führte. Auch damals - nach dem spektakulären Sturz des Bürgermeisters Hans Ulrich Klose wegen dessen atom–kritischer Politik - sah sich die SPD in der Rolle eines Minderheitensenats. Durch geschicktes Taktieren gelang es dem Bonn–Import Klaus von Dohnanyi, in Scheinverhandlungen mit der GAL den günstigsten Moment abzuwarten und Neuwahlen anzusetzen. Der Lohn der Zitterpartei: Die Sozialdemokratie erhielt die absolute Mehrheit zurück. Dieses Spiel sollte nun wiederholt werden. Mit erhofften besseren Bundestagsergebnissen spekulierten die Genossen auf Neuwahlen und verschrieben sich bis zur Bundestagswahl erst einmal Bewegungslosigkeit. Der nach wie vor starke rechte Hardlinerflügel setzte dabei aber auf die Neuauflage der sozialliberalen Koalition mit der FDP. Die FDP verfehlte in der Bürgerschaftswahl nur knapp den Wiedereinzug ins Hamburger Rathaus. Die wahlarithmetischen Träume lösten sich am Sonntag abend im Nichts auf. Mit aller Brutalität war der SPD klar gemacht worden, daß sie bei Neuwahlen nur noch mehr verlieren würde. Auch die CDU verlegte sich schnell auf Besitzstandwahrung. Zwar verlor sie gegenüber der Bundestagswahl rein arithmetisch 0,2 zeigten, daß sie ihr Bürgerschaftswahlergebnis hielten. Das Risiko von Neuwahlen könnte das ausgereizte CDU–Wählerreservoir nach unten absacken lassen. Wenig Interesse an Bewegung auch bei der GAL. Mit elf Prozent verbesserte sie sogar noch ihr sensationelles Bürgerschaftswahlergebnis (10,4 Horrorgemälde trieben gerade linkssozialdemokratische Wähler scharenweise zu den Grün–Alternativen. Der alte Streit innerhalb der GAL, ob auf die SPD nicht weiter zugegangen werden soll, hatte sich mit diesem Bürgermeister von selbst erledigt. Flucht nach vorn Die verlorenen Illusionen machten die SPD jedoch nicht klüger. Einen Tag nach dem Wahldesaster trat der SPD–Landesvorstand zusammen und verabschie dete eine Flucht nach vorn, über die mittlerweile ganz Hamburg lacht. Das Wahlergebnis zeige, so der Vorstand, daß sich die Elb– SPD im Auftrieb befinde, denn dank höherer Wahlbeteiligung habe sie, verglichen mit der Bürgerschaftswahl, Stimmen dazu– gewonnen, während die CDU ver loren habe. In dieser kabarettreifen Wahlarithmetik tauchte der 6,2 Verlust gegenüber der Bürgerschaftswahl nicht mehr auf. Immerhin verständigten sich die Landesvorständler intern, nicht mehr nur der CDU die Gesprächspräferenz zuzubilligen, sondern auch mit der GAL ernsthafte Gespräche zu führen. Gegen diese Überlegung lief Dohnanyi einen Tag nach der Landesvorstandssitzung Amok. Er ließ die Gespräche mit der GAL scheitern, bevor sie überhaupt begannen. Kurzerhand führte der Bürgermeister aus, lediglich mit der CDU sei eine stabile parlamentarische Zusammenarbeit denkbar, mit der GAL könne man lediglich über einzelne Haushaltspunkte reden. Zusätzlich wurde diese Provokation mit einer wüsten GAL– Beschimpfung gewürzt. Hintergrund dieses auf den ersten Blick irrsinnigen Vorgehens eines doppelten Wahlverlierers ist ein feudal–republikanisches Relikt in der Hamburger Landesverfassung. Danach kann der Senat als Minderheitensenat ewig weiterregieren, solange die Bürgerschaft keinen neuen Senat wählt. Da weder SPD und GAL, noch SPD und CDU und schon gar nicht CDU und GAL einen neuen Senat wählen können, kam es zum parlamentarischen Patt, das Dohnanyi das Überleben ermöglichte. Comeback für Ulrich Klose? Nach der Bürgerschafts– und der Bundestagswahl verlangte die CDU sofort die Große Koalition. Für die SPD - nicht für den Bürgermeister - untragbar. Ebenso pfiff sie auf die Tolerierungsvorschläge der GAL. Als Ersatz wurde den beiden Wahlsiegern CDU und GAL ein Arbeitsprogramm angeboten, das über weite Teile wirtschaftspolitische CDU– Vorstellungen und einige wenige ökologische GAL–Vorstellungen abdeckte. Die CDU forderte die Große Koalition weiter, aber ganz wollten es sich die Christdemokraten mit dem aufgeschlossenen Bürgermeister nicht verderben, und so lehnten sie Gespräche nicht rundweg ab. Erwartungsgemäß verlief das zweistündige Eröffnungsgespräch am Mittwoch in einer von beiden Seiten bestätigten „offenen und konstruktiven Atmosphäre“. Zwar beharrten die Christdemokraten auf ihrer Forderung, „Haushaltsverabschiedung nur bei Großer Koalition“, dennoch will man sich im Februar noch zweimal treffen, um dann im Frühjahr zu einer abschließenden Bewertung zu kommen. In dieser Situation zog Hamburgs Ex–Bürgermeister, Bundestagsabgeordneter und SPD– Bundesvorstandsmitglied Hans Ulrich Klose stellvertretend für die Bundespartei und für den nachdenklichen Teil der Hamburger Sozialdemokraten die Notbremse. Er erklärte in Interviews kurz und bündig, daß Wahlniederlagen nicht umgelogen werden dürften. Weiter müßte die Wahlverliererin SPD nun mit den Wahlgewinnern CDU und GAL gleichermaßen in Koalitionsverhandlungen treten. Gegenüber der taz präzisierte Klose seine Haltung noch und drohte unverhohlen mit der Bundespartei: „Der Bundesvorstand kann meiner Meinung nach nicht zusehen, wie in Hamburg alles kaputt geht.“ Diese Äußerungen des in Hamburg immer noch populären Ex– Bürgermeisters erhalten dadurch zusätzliches Gewicht, daß Klose der einzige SPD–Direktkandidat war, der in seinem Wahlkreis über 50 neuen Bürgermeister.