I N T E R V I E W „An Folterungen kann ich mich nicht erinnern“

■ Der Oberbefehlshaber der philippinischen paramilitärischen Polizei (Philippine Constabulary) in Cagayan Valley, Colonel Rodolfo Aguinaldo, über seine Methoden der Aufstandsbekämpfung und die Regierungspolitik / „Es wird mehr Blutvergießen geben“ / Neue Verfassung ist „gefährliches Dokument“

taz: Wir dachten, Sie seien noch in Manila. Die Menschenrechtskommission hat sie doch vorgeladen, weil Sie der unrechtmäßigen Verhaftung der Sozialarbeiterin Miriam Dugay beschuldigt werden... Aguinaldo: Ich bin nicht hingefahren. Frau Dugay wurde von einigen Überläufern der „New Peoples Army“ (NPA) zweifelsfrei als gesuchte Guerillaführerin identifiziert. Das Gefängnis, in dem sie einsitzt, steht gar nicht unter meiner Verantwortung, und außerdem war mir nicht nach Reisen zumute. In der Armee gelten Sie als Reformoffizier und erfolgreicher Counterinsurgency– Stratege. Was haben Sie hier in Cagayan Valley erreicht? Als ich 1983 in diese Provinz kam, gab es hier nur zwei Armeebataillone und eine Scoutranger–Einheit. Bald 70 Prozent der Bevölkerung unterstützten die NPA. Damit habe ich Schluß gemacht. Mit Hilfe von sechs Überläufern haben wir eine Strategie entwickelt, um die Unterstützung der Bevölkerung zurückzugewinnen. Wir haben die Kommunikation zwischen dem Nord– und Südteil des Tals gekappt, die Armee nach Westen geschickt und die östliche Hälfte mit Scout–Rangers und bewaffneten Zivilschutzeinheiten, den CHDF, gesichert. Ein sehr wirksames System. Heute haben wir im Osten keine KP–Zellen mehr in den Dörfern. 200 Überläufer aus der Guerilla haben sich uns angeschlossen. Menschenrechtsgruppen werfen Ihnen vor, Sie hätten Tausende Bauern aus ihren Dörfern vertrieben und dort „free–fire–zones“ eingerichtet. Noch nach Aquinos Amtsantritt soll es mehrere Luftangriffe auf die Zivilbevölkerung gegeben haben? Ich weiß nichts von der Umsiedlung irgendwelcher Zivilisten in meinem Verantwortungsbereich, und der Terminus „free– fire–zones“ entstammt dem Vokabular des Feindes. Das ist Unsinn, denn wir können uns die Verschwendung der teuren Munition gar nicht leisten. Auch die Luftangriffe haben wir seit April/Mai letzten Jahres eingestellt, weil sie nicht effektiv waren. Man kann die Ziele im Dschungel nicht vernünftig erkennen, denn schließlich haben wir nicht so eine ausgefeilte Ausrüstung wie die Amis in Vietnam. Dorfbewohner klagen, die CHDF sollen Häuser und Vieh verbrennen? Woher haben Sie die Informationen? Ich kontrolliere die CHDF vollständig. Es gibt hier ein paar Priester, die die Tatsachen verdrehen. In einigen Dörfern gibt es Basen der „New Peoples Army“. Natürlich verbrennt die CHDF Häuser der Parteimitglieder. Oft verlassen auch andere Leute dann ihre Dörfer. Aber wer hat angefangen? Die NPA. Nach dem bisher Gesagten vermuten wir, daß sie den Waffenstillstand mit der NPA ablehnen? Natürlich. Aber ich folge den Befehlen von oben. Die NDF hat auf der ganzen Linie profitiert. Sie hat sich ausgeruht, ihre Fehler studiert, neue Waffen bekommen. Statt weniger wird es jetzt mehr Blutvergießen geben. Bevor ich mit irgend jemandem verhandle, würde ich darauf bestehen, daß er die Waffen niederlegt. Vorher würde ich ihnen zeigen, daß bewaffneter Widerstand aussichtslos ist. Alle Truppen in einer Provinz konzentrieren und losschlagen, dann das gleiche in der nächsten Provinz. Foltern Sie Gefangene? Das haben wir nicht nötig. Sie sind alle kooperativ. Wir geben ihnen zu essen, lassen sie mit den alten Kameraden allein... Und bevor Sie diese Überläufer hatten? Nicht daß ich mich erinnern könnte. Haben Sie Agenten in der NPA? Oh ja, und das Drama ist, daß die Guerillas dauernd ihre Kameraden erschießen und meine Leute immer noch da sind. Es ist auch schwierig herauszufinden, wer ... (lacht wissend). Und was halten Sie von der neuen Verfassung? Ich werde dagegen stimmen, und 95 Prozent der Paramilitärischen Polizei (PC) und der Streitkräfte werden das auch tun, denn sie ist ein gefährliches Dokument. Die PC, die die Hauptlast der Aufstandsbekämpfung getragen hat, und die sog. paramilitärischen Einheiten sollen aufgelöst werden. Über die Rolle der Armee gibt es keine eindeutige Stellungnahme. Ich hätte keine Lust, mein Gnadenbrot als kleiner Fisch irgendwo in der Armee zu fristen, und von den Zivilschutzeinheiten werden doch höchstens zehn Prozent übernommen. Die anderen müssen nach der vorgesehenen Entwaffnung dann in den Untergrund gehen, um ihr Leben zu retten. Interview: Nina Boschmann Gebhart Koerte