Spanien plant Einsatz von Atomwaffen

■ Militärische Handbücher gelangten an die Öffentlichkeit / Ist Erklärung über Spaniens Atomwaffenfreiheit im Rahmen der NATO nur die Makulatur? / Militärs: Die Pläne verletzen keine Gesetze / Sollen Atomwaffen im Konfliktfall von den USA erbeten werden?

Berlin (taz) - „Die spanischen Streitkräfte werden nicht für die offensive Anwendung nuklearer Waffen ausgebildet, da Spanien auf den Bau, die Lagerung und den Einsatz dieser Waffengattung verzichtet hat“, verlautbarte am Mittwoch von einem Sprecher des spa nischen Verteidigungsministeriums. Das Dementi ist klarer, als es die Verhältnisse zulassen. Der spanischen Tageszeitung El Pais liegt ein Handbuch für die mechanisierten und die gepanzerten Infanteriedivisionen aus dem Jahre 1983 vor, in dem es heißt: „(Die Organisation der mechanisierten und der gepanzerten Division) gestattet es beiden Divisionen, sowohl nukleare wie konventionelle Gefechte zu Land, in der Luft und gegebenenfalls zur See zu planen, zu kordinieren und zu leiten.“ In einem anderen Handbuch zum Reglement des taktischen Einsatzes der Infanterie, ebenfalls von 1983, heißt es:“ Je nach Operationsfeld kann die Vorbereitung mit auschließlich konventionellen Sprengköpfen, vorzugsweise nuklearen Sprengköpfen oder einer Kombination aus beiden geplant werden.“ In den Texten ist von „eigenen“ Nuklearwaffen die Rede, obwohl Spanien eigentlich keine eigenen Kernwaffen haben dürfte. Vermutungen militärischer Quellen zufolge würden Nuklearwaffen im Konfliktfall wohl von befreundeten Mächten, insbesondere den USA, erbeten. Die Veröffentlichung der Texte fällt mit dem Ende der zweiten Verhandlungsrunde zwischen Spanien und der NATO zusammen, in der es große Fortschritte gegeben hat. Bei den Gesprächen geht es um die spanische Beteiligung an der NATO. Die Verhandlungen wurden aufgenommen, nachdem ein Referendum über den Verbleib Spaniens in der NATO im letzten Jahr positiv entschieden worden war. Gewonnen hatte die sozialistische Regierung das NATO–Referendum vor allem deshalb, weil die Entscheidung darüber zu einer Entscheidung über die Regierung Gonzalez hochstilisiert worden war. Darüber hinaus hatte die Regierung Gonzalez die Wahlgänger jedoch mit einer Referendumspräambel gelockt. Neben dem Versprechen, Spanien werde sich nicht in die Kommandostruktur der NATO integrieren und die US– Präsenz auf spanischem Gebiet sollten verringert werden, hatte es da geheißen: „Die Installierung, Lagerung oder die Einführung nuklarer Waffen auf spanischem Territorium bleibt verboten.“ Jetzt erweist es sich, daß dieses Verbot nicht so eindeutig ist, wie allgemein angenommen wurde. Als 1981 das Parlament der Regierung die Erlaubnis erteilt hatte, Verhandlungen über einen Beitritt Spaniens zur NATO aufzunehmen, war zwar die Lagerung oder Installierung von Nuklarwaffen auf spanischem Boden verboten worden, jedoch heißt es im Nachsatz: „Auf jeden Fall erfordert eine wie auch immer geartete Entscheidung in diesem Bereich die vorherige Genehmigung durch das Parlament.“ Militärische Quellen erklärten denn auch gegenüber El Pais, die Pläne verletzten das Gesetz nicht, da der Einsatz von Atomwaffen nach wie vor von der Zustimmung durch die spanische Regierung abhängig sei. Darüber hinaus sehen sie in der Nuklearfrage „den unvermeidlichen Preis für die Stabilisierung der Demokratie“, für die die NATO ein Faktor sei. -ant