„Götter in Weiß“ danken ab

■ Berlins Ärztkammer hat einen neuen, kritischen Präsidenten: Ellis Huber

Aus Berlin Mechthild Küpper

Die Presse liebt Ellis Huber, und er liebt die Presse. Für ärztliche Standesvertreter war er bis vorgestern die Verkörperung des Gräßlichen, seit Donnerstagabend ist er ihr Präsident in der Berliner Ärztekammer. Ausgerechnet von seinem über 70jährigen Vorgänger Peter Krein wird aber berichtet, daß er in turbulenten Sitzungen darauf hingewiesen habe, die „Fraktion Gesundheit“ sei immerhin verläßlich, was man von seinen politischen Freunden nicht behaupten könne. Die waren noch aufgelöst auf der Suche nach einem Gegenkandidaten und sahen sich als Dammbauer gegen rote Fluten „wie 33“. Der Damm brach am Donnerstagabend im Kommunalparlament von Berlin–Wilmersdorf, wo Ellis Huber, 38, parteilos, von 1981 bis 1985 für die Alternative Liste Gesundheitsstadtrat war. In dieser Eigenschaft erregte er das Wohlgefallen von CDU–Gesundheitssenator Fink, einige Popularität - und Skepsis bei der AL–Basis. Das war vorgestern Geschichte. Da ging es nicht um Hubers Aufstieg. Zu feiern war der Abschied von den „Göttern in Weiß“ in den dunkelblauen Anzügen einer konservativen Standesvertretung. Das Adieu - gut vorbereitet mit einem selbstbewußten Wahlkampf der Liste 3 „Fraktion Gesundheit“, einem stattlichen Erfolg von der Hälfte der Delegiertensitze bei den Berliner Ärztekammerwahlen im vergangenen Dezember und endlosen Kontakt–, Koalitions– und Strategiegesprächen - fand vor großem Publikum und mit einigem alternativen Pomp statt. Blumensträuße für Huber und die auch von der „Fraktion Gesundheit“ gestellte Vizepräsidentin Rieke Alten, Wunderkerzen und Luftschlangen für jedes neue Vorstandsmitglied, Ellis Huber im Blitzlichtgeprassel auf den Schultern seiner Freunde, minutenlange stehende Ovationen. „Die Rechten“ hatten sich nach langem Streit auf einen Gegenkandidaten für den populären Huber geeinigt. Doch der Geriater Salbach erhielt nur 41 von 90 Stimmen. Huber bekam 46. Die für die einfache Mehrheit notwendige Stimme kam von einem niedergelassenen Kinderarzt. Der und ein praktischer Arzt, den die „Fraktion Gesundheit“ überraschenderweise mitwählte, zogen auch in den neunköpfigen Vorstand ein. Alle anderen Vorständler kommen aus der „Fraktion Gesundheit“. Je knöcherner ihr eigener Kandidat, desto mehr Konservative stimmten für die Frauen und Männer der neuen Mehrheit. Um Mitternacht war der Generationswechsel vollzogen, der neue Vorstand komplett. Der neue Präsident Ellis Huber leitete die zweite Sitzung der neuen Legislaturperiode und versprach, die „Kluft zwischen links und rechts, alt und jung zu überwinden und abzubauen, zum Wohle der Berliner Ärzteschaft“. Daran ist sein Vorgänger Peter Krein vor vier Jahren gescheitert. Dessen „linker“ Vize, Helmut Becker, war nur wenige Wochen im Amt, weil es „nicht gelang, die gegensätzlichen Standpunkte in der Ärztekammer zu koordinieren“, wie Krein beklagte. Von beiden Seiten signalisiert man nun Kooperationsbereitschaft. Daß mit der Mehrheit in der Ärztekammer die Auseinandersetzung in der „Fraktion Gesundheit“ erst beginnt, war deutlich in einer der Vorbereitungssitzungen für die Wahl zu sehen. Aus der Gesundheitsladen–Bewegung, dem Marburger Bund, den Ärzten zur Verhinderung eines Atomkriegs (IPPNW) und aus der ÖTV stammen die Mitglieder. Sie sind niedergelassene Ärzte, Krankenhausärzte, Forscher. Bisher in der Minderheit, konnte man sich recht einig sein gegen den Rest der Welt. Bei der Postenverteilung aber zeigte sich bereits die Schwierigkeit, „einen von uns in die höhere Etage zu schieben“ (Bernd Köppl, Arzt und Ex–AL–Abgeordneter). Proporz–Denken setzte sich - diesmal - nicht durch.