Kursänderung Chiracs?

■ Zur Pressekonferenz des französischen Premierministers

Die Regierung hätte den Franzosen eine Überdosis an Liberalismus zugemutet, formulierte des Premierministers schärfster Präsidentschaftskonkurrent auf der französischen Rechten, Raymond Barre nach Studentenrevolte und Eisenbahnerstreik. Jacques Chirac hat verstanden: Nicht mehr nur die Verherrlichung des Unternehmertums, sondern den Dialog mit den Gew Der Sinneswandel des Premiers darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß der seit vergangenem Jahr forcierte Liberalismus Langzeitwirkung hat: Staatsbetriebe werden weiterhin privatisiert, Massenentlassungen sind hier vorprogrammiert. Ausländer werden weiter gejagt und ausgewiesen, die rassistische Ausländergesetzgebung steht. Und dennoch sind Veränderungen spürbar in Frankreich. Die von dem Rechtsradikalen Le Pen angeheizte Sicherheits– und Ordnungshysterie wie auch die liberale Wirtschaftsphilosophie sind nicht allein mehr maßgebend für das innenpolitische Klima. Wenn ein Rechter wie Jacques Chirac heute mit Begriffen wie „Solidarität“, „Chancengleichheit“ und „sozialem Dialog“ die Präsidentschaftswahlen 1988 gewinnen will, ist das ein Signal. Frankreich ist heute das erste große westliche Industrieland, in dem ein Neoliberalismus a la Reagan, Thatcher und Kohl vorläufig aus der vorgeschriebenen Bahn geraten ist. Georg Blume