ALKEM–Zwist: Steger log schamlos

■ Der hessische Wirtschaftsminister Steger übergab Wallmann schon im November den Entwurf für die Teilerrichtungsgenehmigung der ALKEM / Wallmann geht jetzt damit an die Öffentlichkeit

Von Klaus–Peter Klingelschmitt

Frankfurt (taz) - Der Stuhl des hessischen Wirtschaftsministers Ulrich Steger (SPD) wackelt heftig. Die Behauptung von Bundesumweltminister Walter Wallmann (SPD), der hessische „Atomminister“ habe ihm am 21. November 86 schriftlich mitgeteilt, daß er „in Abstimmung mit dem Bundesinnenministerium eine Plutoniummenge von 2,5 Tonnen für betriebstechnisch notwendig“ erachte, hat sich als den Tatsachen entsprechend erwiesen. Entgegen ersten Annahmen hat dennoch Steger seinem Kollegen Wallmann nicht nur einen Brief geschrieben, sondern durch seinen „Intimus“ Dr. Ferdinand Wiebecke, den Leiter des Ministerbüros, ein 161 Seiten starkes Schriftstück überbringen lassen, das die nahezu komplette Teilerrichtungsgenehmigung für die Plutoniumfabrik ALKEM zum Inhalt hat. Steger war damit einer schriftlichen Aufforderung Wallmanns vom 17.11.86 nachgekommen, nachdem der Bundesumweltminister der hessischen Genehmigungsbehörde die Verschleppung des Verfahrens vorgeworfen hatte. Noch Anfang dieser Woche hatte Steger über seinen Pressesprecher Reinhart Raack mitteilen lassen, daß es eine solche schriftliche Mitteilung an Wallmann nie gegeben habe. Der Bundesumweltminister habe lediglich aus „uralten“ Schriften zitiert. Für das Mitglied der Landtagsgruppe der hessischen Grünen, Chris Boppel, stellt sich jetzt die Frage, ob die Atombehörde im Wirtschaftsministerium am Minister vorbei aktiv geworden sei, „was ich mir kaum vorstellen kann“, oder ob Steger „im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte“ derart unsinnig habe handeln können. Boppel: „Wir fordern die sofortige Einberufung einer Koalitionsrunde zur restlosen Aufklärung dieser unglaublichen Vorgänge.“ Auch innerhalb der sozialdemokratischen Landtagsfraktion mehren sich die Stimmen, die dem Wirtschaftsminister „Unfähigkeit im Amt“ vorwerfen. So habe Steger bei der Neukonzeption der Genehmigungsauflagen für ALKEM Ende Dezember 86 in der Staatskanzlei auch den federführenden Genossen um den Leiter der hessischen Staatskanzlei, Paul–Leo Giani, verschwiegen, daß er gegenüber Wallmann bereits Zusagen gemacht habe. Stegers Pressesprecher Raack wies gegenüber der taz alle Vorwürfe zurück. Bei der sogenannten Teilerrichtungsgenehmigung habe es sich lediglich um einen Referentenentwurf gehandelt, der von Steger nie unterschrieben worden sei und der auf einer Stel lungnahme des Bundesinnenministers zum laufenden ALKEM– Verfahren aus dem Jahre 85 basiere. Der Referent habe seinerzeit den Vorschlag von Zimmer mann, die Plutonium–Umgangsmenge auf 2,5 Tonnen festzulegen, schlicht übernommen. In der Tat sei dieser Entwurf dann am 21.11.86 zu einem „Gespräch über Strahlenschutz“ mit nach Bonn genommen und dann von Wallmann in der bekannten Art und Weise „ausgeschlachtet“ worden. Wenn der Referentenentwurf tatsächlich eine autorisierte Stellungnahme des Hauses Steger im Rahmen des laufenden Genehmigungsverfahrens gewesen wäre, so Raack abschließend, dann müßte die Staatsanwaltschaft jetzt gegen Wallmann ermitteln, „wegen Verwahrungsbruch“.