Vorentscheidungen

■ Zu den Sitzungen der Grünen Bundestagsfraktion

Am Freitag wird die Öffentlichkeit mehr über die neue grüne Bundestagsfraktion wissen als nur die Namen des neuen Fraktionsvorstandes. Denn im Grunde genommen geht es bei dem grünen Fraktionsmarathon der nächsten Tage um prinzipielle Vorentscheidungen darüber, wie grüne Politik im Bundestag und vom Bundestag aus zukünftig gemacht werden wird. Die Gefahr ist groß, daß die Sucht nach Harmonie bei den Grünen überhand nimmt, zumal sie im Wahlkampf erfolgreich funktioniert hat. Dringend notwendig ist jedoch (der Wahlkampf ist vorbei), eine Streitkultur bei den Grünen zu entwickeln. Personale „Machtpolitik als Pokerspiel“ muß abgelöst werden, denn die Grünen gaukeln sich etwas vor, wenn sie glauben, sie hätten tatsächlich Macht. Die Fraktion und mit ihr die Partei muß in den nächsten vier Jahren erreichen, was von ihr erwartet wird: Sie muß die Antwort auf die Frage finden, ob und unter welchen politischen Bedingungen sie, wenn die Prozente reichen, dazu bereit ist, mit der SPD in Bonn Regierungsverantwortung zu übernehmen. Aber das ist vielleicht gar nicht die spannendste Frage. Es geht in der Hauptsache darum, ob die Grünen es schaffen, stärker in der Tagespolitik zu intervenieren und damit die strategische Führung in der Opposition zu übernehmen. Sie müssen begreifen, daß sie in den vergangenen vier Jahren im wesentlichen reaktiv waren, und daß Fleiß allein nicht ausreicht. Nur als Meinungsführer können die Grünen Macht ausüben. Doch davon sind sie noch weit entfernt. Jetzt müssen sie Personalentscheidungen treffen, die ihnen diese Meinungsführerschaft am ehesten garantieren, mit den acht Prozent Wählerstimmen effektvoll wuchern. Inner–Grünes Harmoniestreben steht dem mit Sicherheit im Weg. Max Thomas Mehr