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Grüne: Mühsamer Kampf um Strukturen

■ Neue Abgeordnete der grünen Bundestagsfraktion klammern sich an ihren Büro–Apparat / Die Strukturdebatte wirft zahlreiche Fragen auf: Mehr Spielraum für die einzelnen Abgeordneten oder Vereinzelung? Thematische Arbeitskreise abschaffen und den Vorstand stärken?

Aus Bonn Ursel Sieber

Die Abgeordneten der grünen Bundestagsfraktion in Bonn, auf die stolze Zahl 44 angewachsen, schickten sich am Dienstag abend an, die Organisation ihrer künftigen Arbeit zu bestimmen. Denn was die Grünen aus ihrem guten Wahlergebnis machen, wird schließlich auch davon abhängen, welche Strukturen geschaffen werden: Werden die politischen Widersprüche innerhalb der Grünen zugelassen? Oder sollen sie geschlossener auftreten, mit einem Kurs, der vom Vorstand vorgegeben wird? Am Anfang stand der Bericht über die Erfahrungen mit der bisherigen Arbeitsweise. Axel Vogel, der alte parlamentarische Geschäftsführer, gab die Einführung, indem er den „Neuen“ die Aufgaben ihres Abgeordneten– Büros erläuterte: Schriftverkehr, Tipparbeiten, Terminplanung, Organisation von „parlamentarischen Geschichten“, Ablage. Anschließend verlangte Trude Unruh, die Abgeordnete der „Grauen Panther“, nach einem Einzelzimmer. Über dieses Niveau ist die Debatte leider nie hinausgekommen. Sie verlief so kleinkrämerisch, zäh und so unstrukturiert, daß einen über die Gestalt der künftigen Struktur recht böse Ahnungen befielen. Und die politische Dimension dieser Debatte blieb völlig im Dunkeln. Kleinkrämerisch wurde da über grüne Politik–Kultur verhandelt. Die alte Fraktion basierte auf sechs, nach Themen untergliederten Arbeitskreisen, die mit finan ziellen und personellen Kompetenzen ausgestattet waren. Gegen ihr Votum konnte der Vorstand nichts unternehmen. Aber funktioniert, so schimpfen viele, hät– ten die Arbeitskreise nie so richig. Einige bieten eine Radikalkur an: Die Arbeitskreise sollen ganz abgeschafft und dafür die Stellung des Vorstands gestärkt werden. Gleichzeitig sollen die einzelnen Abgeordneten aufgewertet werden, indem diese zwei Mitarbeiter/innen beschäftigen können. Viele von den neuen Abgeordneten schien in erster Linie das Stichwort „Stärkung der Abgeordneten–Büros“ anziehend: Ihr Blick zielte auf die 9.2OO DM für die zwei Angestellten, mit denen sie glauben, ein kleines Königreich aufbauen zu können. Als Regula Bott, Ökosozialistin aus Hamburg, geltend machte, daß der Vorschlag in der Praxis auf „Vereinzelung“ der Abgeordneten hinauslaufe und „mit dem Begriff der Dezentralisierung ein zentralistisches Konzept an Mann und Frau gebracht werden soll“, störte sie nur das Bedürfnis nach Harmonie und bekam sofort eins übergebraten: „Ich finde es sehr schlimm“, so Caritas Hensel, Realo–Abgeordnete aus Hessen, „daß Regula aus dem Versuch, zu einer Lösung zu kommen, gleich ein zentralistisches Stabskonzept gemacht hat“. Manchmal hatte die Runde gespenstische Züge: Da saßen die „Neuen“, die sich aus lauter Unsicherheit an den Aufbau ihres kleinen Büro–Apparates klammerten. Da agierten vorsichtig Regula Bott, Thomas Ebermann und Ludger Volmer, die Minder heit der Ökosozialist/innen, die sich über den Erhalt der Arbeitskreise doch noch Einfluß in der realpolitisch ausgerichteten Fraktion erhoffen. Da spielten sich Kleinert, Schoppe und Schily als die profilierteren Realpolitiker/ innen die Bälle zu, in dem Versuch, die Majorität noch einmal in ihrem Sinne zu lenken. Zum Schluß zeichnete sich dann ein Kompromiß ab. Kleinert beantragte: Die Arbeitskreise bleiben, werden aber „moGleichzeitig bekommt jeder Abgeordnete zwei Angestellte und wird so „gestärkt“. Worauf Antje Vollmer und Marie–Louise Beck–Oberdorf sagten: Wenn die Abgeordneten so viele Mitarbeiter/innen persönlich einstellen könnten, sei möglicherweise gar kein Geld mehr da, und die Arbeitskreise fielen doch hinten runter. Wieviel Geld die Fraktion ausgeben kann, konnte an diesem Abend allerdings nicht geklärt werden.

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