Chaos um Volkszählungsgesetz komplett

■ Nach dem Bundesdatenschutzbeauftragten bemängeln auch andere Datenschützer Widersprüche zwischen Volkszählungs– und Bundestatistikgesetz / Auch Bußgeldregelung ungeklärt / Grüne fordern Zählungs–Stop

Von Vera Gaserow

Berlin (taz) - Unter Zeitdruck ist nach der gestrigen Veröffentlichung in der taz das Bundesinnenministerium geraten, auf einen Brief des Bundesdatenschutzbeauftragten zur Volkszählung zu antworten. Bundesdatenschützer Baumann hatte in seinem Schreiben an Innenminister Zimmermann dargelegt, daß zahlreiche Bestimmungen des Volkszählungsgesetzes in Widerspruch zum neuen Bundesstatistikgesetz stehen. Damit ist unklar, auf welcher Rechtsgrundlage die Volkszählung nun durchgeführt werden soll. Auf Nachfrage der taz äußerten auch Datenschutzbeauftragte der Bundesländer ähnliche Bedenken. Vom Bundesinnenministerium war gestern keine Stellungnahme zu dem Brief des Bundesdatenschützers Baumann zu bekommen. Allerdings soll Anfang der Woche eine Besprechung zu diesem Thema stattgefunden haben. Tatsächlich hat der Brief Bau manns an seinen obersten Dienstherrn Zimmermann ein rechtliches Wirrwarr offenbart: das seit 1.1.87 geltende neue Bundesstatistikgesetz sieht in Bezug auf die Speicherung, Löschung und Trennung von Daten strengere Regelungen vor als das Volkszählungsgesetz. In einem anderen Punkt, der Weitergabe von Daten z.B. an Universitäten zu Forschungszwecken oder zur Errichtung einer Adresskartei von Arbeitsstätten, erlaubt jedoch das Bundestatistikgesetz sehr viel mehr als das Volkszählungsgesetz. Je nachdem, wie es den Volkszählungsverantwortlichen paßt, könnten sie sich mal auf das eine, mal auf das andere Gesetz berufen. Auch die Bußgeldandrohung des neuen Statistikgesetzes stimmt nicht mit den Regelungen des Volkszählungsgesetzes überein. So bleibt nach Ansicht von Datenschützer Baumann bisher sogar unklar, ob der Bußgeldtatbestand bei einem Nichterteilen von Auskünften überhaupt erfüllt ist. Angesichts dieser Unklar heiten dürften Bußgeldverhängungen gegen Boykotteure juristisch nur schwer abzusichern sein. Völlig ungeklärt ist bisher unter den Experten, welches nun das übergeordnete Gesetz ist. „Auf jeden Fall wollen wir und muß auch der Bürger wissen, was nun gilt“, meint man beim Bundesdatenschutzbeauftragten, „dann behalten wir uns eine abschließende rechtliche Würdigung vor.“ Für die Grünen war der von der taz veröffentlichte Brief Baumanns gestern Anlaß für einen Glückwunsch an den Datenschützer und für eine Aufforderung an die Bundesregierung, angesichts des „Gesetzeswirrwarrs“ die Zählung sofort zu stoppen.