KWU–Arbeiter radioaktiv verseucht

■ Zweijährige Dauerbelastung in Laboranlage in Karlstein angeblich nicht bemerkt / Bei mindestens zehn Beschäftigten hat man kontaminierte Schwebeteilchen festgestellt / Und der Betriebsrat schwieg dazu

Von Klaus–Peter Klingelschmitt

Frankfurt(taz) - In der Laboranlage der Kraftwerk Union AG im nordbayerischen Karlstein (Main) wurden - über zwei Jahre hinweg - rund dreißig Arbeiter radioaktiv verseucht. Bei zehn Beschäftigten, die mit der Modernisierung der Abwasseranlage des Nuklearlabors befaßt waren, sei - selbst nach Angaben der KWU - nicht auszuschließen, daß die zulässigen Grenzwerte überschritten wurden. Nach einer ersten Stellung nahme des KWU–Pressesprechers Breyer hätten die Arbeiter „unbemerkt“ über zwei Jahre hinweg radioaktive Schwebeteilchen eingeatmet. Diese Stoffe befänden sich jetzt in den Körpern der Betroffenen, wo sie auf Dauer strahlten. In Karlstein forscht die KWU seit zwanzig Jahren mit konzentrierten radioaktiven Materialien unterschiedlichster Zusammensetzung, u.a. auch mit Plutonium. Seit gut einem Jahr unterhält die KWU dort auch eine Versuchsanlage zur Dekontamination radio aktiver Teile, um demnächst auch ins AKW–Abwrackgeschäft einsteigen zu können. Für den Zweiten Vorsitzenden des BUND–Naturschutz Hessen, Eduard Bernhardt, ist es ein „Skandal“, daß die KWU die Vorgänge in Karlstein bis heute verschwiegen habe. Dieser Vorwurf sei auch dem IG–Chemie–Betriebsrat zu machen, der gleichfalls geschwiegen habe, „obgleich der sich doch immer zu Wort meldet, wenn es um die Interessen der Arbeiter in den Atomanlagen geht“. Bernhardt forderte gestern Bundesumweltminister Walter Wallmann (CDU) auf, unverzüglich eine Untersuchung einzuleiten. Da die KWU ihre möglicherweise auch kontaminierten Abwässer unter dem Main hindurch in die Kläranlage der hessischen Gemeinde Seligenstadt einleitet, seien auch die hessischen Minister Fischer (Umwelt) und Clauss (Soziales und Gesundheit) gefordert. Wie aus dem Hause Fischer zu hören war, seien inzwischen die notwendigen Kontrollmaßnahmen eingeleitet worden.