Kolumbiens Kokainkönig gefaßt

■ Carlos Lehder Rivas, schillerndste Figur der kolumbianischen Mafia, an USA ausgeliefert

Von Thomas Schmid

Berlin (taz) - Einer der reichsten Männer Südamerikas, der legendäre Kokainbaron Carlos Lehder Rivas, wurde am Mittwoch in Kolumbien verhaftet und noch am selben Tag an die USA ausgeliefert. Der 37jährige kolumbianische Mafiaboss, Sohn eines deutschen Einwanderers, wurde auf einem Landgut östlich der kolumbianischen Großstadt Medellin nach einem Gefecht zusammen mit 15 Leibwächtern festgenommen. In Kolumbien war Lehder von allen Anklagen freigesprochen worden, doch hatte die Justiz der Auslieferung an die USA, wo er seit 1981 des Kokainschmuggels angeklagt ist, zugestimmt. Lehder ist wohl die schillerndste Figur der kolumbianischen Kokainmafia. Jahrelang lebte er unbehelligt in seinem eigenen Reich, auf einer riesigen Estancia, und sponserte in der besten Tradition der Chicago– Mafia Al Capones Sport– und Wohlfahrtsvereine. Seine Privatflotte bestand aus Dutzenden von Kleinflugzeugen. Auf den Bahamas hatte er eine ganze Insel als logistischen Stützpunkt für den Drogenhandel aufgekauft. Als 1982 Kolumbien ein Auslieferungsabkommen mit den USA schloß, gründete er eine eigene Partei, die „Nationale Lateinamerikanische Bewegung“, mit dem Ziel, den Auslieferungsvertrag rückgängig zu machen. 1985 brüskierte Lehder den damaligen kolumbianischen Präsidenten, Belisario Betancur, der dem Rauschgiftschmuggel öffentlich den Kampf angesagt hatte, mit einem spektakulären Fernsehauftritt. Ein spanisches Team interviewte ihn, der nach Angaben der Regierung längst aus dem Land vertrieben war, mitten im kolumbianischen Urwald. „Kokain und Marihuana sind zu einer Waffe gegen den US–Imperialismus geworden,“ tönte der Mafiaboss aus dem Bildschirm. Der Bewunderer Hitlers hatte inzwischen ganz im Zeichen seiner neuentdeckten Liebe zum Antiimperialismus seine Partei in „Sozialistische Lateinamerikanische Bewegung“umgetauft. Als dann 1984 der kolumbianische Justizminister Bonilla unter den Kugeln gedungener Mörder der Mafia starb, kommentierte Lehder triumphierend: „Vom Volk hingerichtet.“ In den USA erwartet ihn keine Todesstrafe, höchstens 40 Jahre Gefängnis und 500.000 Dollar Geldstrafe. Für den Kokainbaron ein Trinkgeld.